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Geschmack ist vorhersagbar: Mit FlavorMiner.
FlavorMiner heißt das Tool, das IPB-Chemiker und Partner aus Kolumbien jüngst entwickelt haben. Das Programm kann, basierend auf maschinellem Lernen (KI), anhand der Molekülstruktur der Inhaltsstoffe die wichtigsten Geschmacksmerkmale von Lebensmitteln mit hoher Genauigkeit vorhersagen. So erkennt FlavorMiner nicht nur süße, saure und bittere Noten, sondern auch fruchtige, blumige, geschmacksfremde und eher negativ konnotierte Aromen und erstmals auch nussige Geschmackskomponenten in einem Lebensmittel. Die Vorhersage des Geschmacks ist zurzeit noch ein zeitaufwendiges und teures Unterfangen, ganz gleich, ob es die sensorischen Fähigkeiten von Verkostungsexperten oder die Rechenleistung von Computern erfordert.

Für FlavorMiner analysierten und vereinten die Hallenser Wissenschaftler bereits existierende Datenbanken und Vorhersagemodelle und optimierten die Vorhersagekraft des Programms durch Hinzuziehung von weiteren Moleküleigenschaften, wie Größe, Polarität, elektronische Struktur, Stabilität und die Tendenz, sich in den geschmackstragenden Fetten zu verteilen. Ihre Ergebnisse, so das Fazit der Wissenschaftler, bieten eine solide Grundlage für zukünftige Studien, die Chemie der Geschmackseigenschaften besser zu verstehen. FlavorMiner kann für die Identifizierung von Geschmacksmolekülen aus jedem Lebensmittelprodukt angewendet werden und stützt sich auf einen vielfältigen Trainingsdatensatz, der mehr als 934 verschiedene Aromeamoleküle aus Lebensmittelprodukten umfasst.

Durch den Einsatz von robusten algorithmischen Kombinationen, gepaart mit mathematischen Darstellungen, erreicht FlavorMiner eine hohe Vorhersageleistung. Mit einem Qualitätswert (ROC-AUC) von 0,88 – also einer Wahrscheinlichkeit von richtigen Vorhersagen von 88% - schneidet der FlavorMiner- Algorithmus ähnlich gut ab wie andere Bitterkeits- und Süßevorhersager, übertrifft aber die bisherigen Vorhersagen von blumigen oder fruchtigen Noten. FlavorMiner ist zudem eine der wenigen ML-Vorhersageprogramme, die frei zugänglich sind, und zwar unter https://github.com/ipb-halle/FlavorMiner.

Die Probe aufs Exempel erfolgte am Kakao. Anhand der Analyse der Datenbanken von Kakao-Inhaltsstoffen konnte FlavorMiner seine Vorhersagekraft zum Geschmack dieses fermentierten Produkts unter Beweis stellen. Aus früheren Studien waren etwa 200 Verbindungen bekannt, die während der Fermentation, Trocknung und Röstung von Edelkakao-Bohnen entstehen. Für weniger als die Hälfte dieser Verbindungen gab es jedoch ein Geschmacksprofil. Nach der Analyse des Datensatzes mit FlavorMiner konnten 92 Prozent der untersuchten Kakaometaboliten ein bekanntes Geschmacksprofil zugewiesen werden. Zu den neu zugeordneten Geschmacksprofilen gehörten zwölf blumige, acht fruchtige und vier Verbindungen, mit unbekannten, aber feinen Geschmacksattributen, die möglicherweise positive Auswirkungen auf das Gesamtprodukt haben. Zudem fand man zwei Substanzen mit Fehl-Aromen, sowie 27 unbekannte und potentiell süßliche Verbindungen.

Diese Vorhersagen stellen einen wichtigen Schritt nach vorn dar, um zu verstehen, wie sich die Veränderung des metabolischen Fingerabdrucks von Kakao während der Verarbeitung auf die Geschmacksqualität des Endproduktes auswirkt. Der metabolisch Fingerabdruck ist eine Art chemische Karte aller natürlichen Inhaltsstoffe. Und diese Karte verändert sich mit jedem Verarbeitungsschritt der Schokolade. Das IPB arbeitet schon seit einigen Jahren mit Casa Luker - einem der größten und ältesten kolumbianischen Kakao- und Schokoladenproduzenten zusammen. Gemeinsam will man ein Standardverfahren zur Produktion von Edelschokolade mit stabilen Qualitätsmerkmalen entwickeln.

Originalpublikation:
Fabio Herrera-Rocha, Miguel Fernández-Niño, Jorge Duitama, Mónica P Cala, María José Chica, Ludger A Wessjohann, Mehdi D Davari & Andrés Fernando González Barrios. FlavorMiner: a machine learning platform for extracting molecular flavor profiles from structural data. J Cheminform 2024 Dec 10;16(1):140. doi: 10.1186/s13321-024-00935-9.

Diese Seite wurde zuletzt am 19 Mar 2025 geändert.