Die Nachwuchsgruppe wird von Dr. Nico Dissmeyer geleitet und ist am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) in einem Labortrakt für unabhängige Forschergruppen untergebracht. Die Arbeitsgruppe erforscht grundlegende molekulare Mechanismen der Erkennung und des Abbaus pflanzlicher Eiweißstoffe (Proteine). Proteine zählen zu den wichtigsten Bestandteilen aller lebenden Zellen und übernehmen verschiedene essentielle Aufgaben, die von zellulären Bau- und Botenstoffen über Energiespeicher bis hin zu biochemischen Katalysatoren (Enzymen) reichen. Für die jeweiligen Funktionen sind vor allem die Menge und Konzentration der Proteine entscheidend sowie deren dreidimensionale Form, ihre sogenannte Faltung. Nur, wenn beide Parameter genauestens kontrolliert und reguliert werden, können die zellulären Stoffwechselwege und weitere Funktionen korrekt ablaufen. Beispielsweise sind aber bis zu 30% aller neugebildeten Proteine bereits zu Beginn fehlgefaltet. Abiotischer Stress ausgelöst durch Trockenheit, Hitze, Bestrahlung oder hohe Salzkonzentrationen, denen Pflanzen ausgesetzt sein können, sind ein Hauptgrund für pflanzliche Proteinfehlfaltung. Dadurch wird weltweit der Ertrag von Nutzpflanzen um mehr als 50% reduziert. Aus diesem Grunde stellt sie eine besondere Bedrohung für die Landwirtschaft und die biotechnologische Produktion von verwertbaren Proteinen dar.

In der Arbeitsgruppe werden daher die molekularen Wege untersucht, die dafür sorgen, dass fehlerhafte oder anderweitig zum Abbau bestimmte Proteine erkannt und abgebaut werden. Die Fragestellungen werden in der genetischen Modellpflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) anhand von biochemischen, genetischen, zell- und molekularbiologischen Methoden erforscht. Arabidopsis ist verwandt mit dem Raps und anderen Kohlgewächsen und gehört zur Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae oder Cruciferae).

Die Arbeiten der Nachwuchsgruppe zielen auf eine detaillierte Beschreibung und funktionelle (molekulare) Analyse komplexer Netzwerke der pflanzlichen Proteinqualitätskontrolle ab. Dabei soll unter anderem untersucht werden, wie sich dieser Kontrollmechanismus „biologisch integrieren" lässt, das bedeutet, welche biologischen Funktionen er letztendlich ausübt und mit welchen Problemen bei Fehlern (Mutationen) in derselben zu rechnen ist.

Die zentralen Fragestellungen zu Proteinerkennung, -(de)stabilisierung und -abbau sind in drei Kernbereiche und langfristige Ziele unterteilt. Sie befassen sich im Kernbereich I mit molekularen Bestandteilen der pflanzlichen Proteinqualitätskontrolle, in Kernbereich II mit Substraten dieser molekularen Netzwerke und in Kernbereich III mit der biotechnologischen Anwendung einer gerichteten Proteinexpression in Pflanzen.

Über Funktion und Bedeutung der pflanzlichen Proteinqualitätskontrolle ist bislang erst sehr wenig bekannt. Neben einer biochemischen, zell- und entwicklungsbiologischen Bedeutung ist korrekte Proteinfaltung und -funktion auch eine der Hauptkriterien für erfolgreiches gentechnisches Engineering. Die Anstrengungen für die (pflanzliche) Produktion von therapeutisch relevanten Proteinen und als Rohstoffe für biotechnologische Anwendungen intensivieren sich und das Beherrschen proteindestabilisierender Faktoren kann der Schlüssel zu erfolgreicherer Proteinproduktion sein.

Ein detailliertes Verständnis soll dazu beitragen, diese als generisches und leistungsstarkes Produktionssystem in der Biotechnologie einzusetzen.

Pflanzliche oder pflanzengenerierte Proteine sind einsetzbar als Energie- und Wirkstoffträger sowie molekulare Werkzeuge für die Einrichtung von biochemischen Reaktionskaskaden zur Gewinnung nicht-petrobasierter Rohstoffe. Die wirtschaftliche Produktion stabiler, korrekt gefalteter und somit funktioneller, vermarktungsfähiger Proteine stellt ein biotechnologisches Ziel höchster Priorität dar. Daher hat ein grundlegendes Verständnis der Proteinstabilität zugrundeliegenden Faktoren weitreichende molekularbiologische und biotechnologische Bedeutung. Pflanzen als Produzenten nachwachsender und nachhaltiger Rohstoffe können ferner als biotechnologische Produktionsplattform dienen, die potenziell hohe Ausbeuten und funktionell notwendige zelluläre Modifikationen im Rahmen einer pflanzenbasierten Proteinproduktion gewährleisten.

Pflanzliche Proteine - als sogenannte Reservestoffe - sind eine der grundlegenden Speichereinheiten für regenerative Nahrungs- und Futtermittel sowie Energie- und Rohstoffe (food, feed, fuel and fibre). Das integrative Forschungsprojekt hat bioökonomisches Potenzial in Bezug auf die Verbesserung der Produktion pflanzlicher und rekombinanter (pflanzenfremder) Proteine in technischen Maßstäben sowie der pflanzlichen Toleranz gegenüber Umweltstress. Es zeigt einen grundsätzlichen Weg auf, um von teurer biotechnologischer Produktion und chemischer Synthese zu preiswerter Pflanzenanzucht und -ernte zu gelangen.

Diese Seite wurde zuletzt am 22 Oct 2012 13 Dec 2012 geändert.