+++ Newsticker Wissenschaft #160 +++ Proteomics +++

Proteomics von Wachstum und Abwehr.

Die Aktivierung pflanzlicher Abwehrmechanismen gegen Krankheitserreger ist energieintensiv und erfolgt demnach häufig auf Kosten von Wachstum und Entwicklung. Die molekulare Umsetzung dieses Wachstum-Abwehr-Kompromisses geschieht durch dynamische Proteinsynthese- und -abbauprozesse. Mit einem umfassenden Proteomics- und Transcriptomics-Ansatz haben IPB-Wissenschaftler jüngst den Proteinturnover während und nach einer induzierten Abwehrreaktion bestimmt. Dafür zogen sie Arabidopsispflanzen in einem Nährmedium an, das mit flg22-versetzt ist. Das flg22-Peptid stammt von bakteriellem Flagellin ab und ruft in der Pflanze starke Abwehrreaktionen hervor. Nach Induktion der Abwehrreaktion gab‘s für die Pflanzen eine Erholungsphase in flg22-freiem Medium.

Untersucht wurden Umsatz und Häufigkeit von 99 Arabidopsis-Proteinen, die bekanntermaßen bei der Abwehr von Krankheitserregern direkt oder indirekt eine Rolle spielen. Dafür bestimmten die Wissenschaftler die  Synthese- und Abbauraten dieser Proteine während und nach der Abwehrreaktion mittels gezielter Flüssigkeitschromatographie und gekoppelter Massenspektrometrie. Zudem analysierten sie die entsprechenden mRNA-Konzentrationen und das Verhalten des Phytohormons Auxin, das bei pflanzlichen Wachstumsprozessen eine wichtige Rolle spielt.

Im Ergebnis konnten sie zeigen, dass durch Applikation von flg22 die mRNA-Transkripte und auch die entsprechenden Enzyme der Tryptophanbiosynthese stark anstiegen. Die Aminosäure gilt als Startpunkt für die Produktion von frühen Abwehrsubstanzen wie den Glucosinolaten, aber ebenso als Vorläufermolekül für die Erzeugung von Auxin. Tryptophan speist im Falle des Abwehrszenarios aber eher die Glucosinolatproduktion, denn für die entsprechenden Biosynthese-Enzyme konnten die Hallenser Wissenschaftler erhöhte Expressionsraten feststellen, während der allgemeine Auxinspiegel in der gesamten Pflanze sank. Auch die Auxintransportproteine, die die Verteilung des Phytohormons managen, waren stark herunterreguliert. Demnach ist nicht nur die Reduzierung der Gesamtauxinmenge, sondern auch Transport und Lokalisierung des Phytohormons innerhalb der Pflanze bedeutsam für den Switch vom Wachstums- auf den Abwehrstoffwechsel.  

Erwartungsgemäß konnten die Hallenser Pflanzenexperten zudem einen Rückgang in den Mengen der Photosyntheseproteine verzeichnen. Dies scheint eine aktive Verteidigungsreaktion zu sein, schlussfolgern sie. Offenbar kommt es im Abwehrstress zu einem Umbau des gesamten Photosyntheseapparates, wodurch die aus der Lichtreaktion stammenden Elektronen nicht mehr zur Produktion von NADPH genutzt werden, sondern vielmehr zur Erzeugung von reaktiven Sauerstoffverbindungen, die gegen ein breites Spektrum von Erregern wirksam sind.

Während die mRNA-Konzentrationen aller untersuchten Proteine nach der Erholungsphase wieder auf ihr Grundniveau absanken, blieben die Konzentrationen der Proteine an sich auch 16 Stunden nach der Umstellung auf flg22-freies Medium weiter erhöht. Der Umbau des Proteoms ist energetisch kostspielig und erfolgt auch nach Abklingen des Stressreizes offenbar langsamer als die Reaktion des Transkriptoms. Die länger anhaltende Präsenz der Abwehrproteine könnte auch für einen Priming-Zustand sprechen, mit dem sich die Pflanze auf künftige Erreger-Attacken vorbereitet, mutmaßen die Hallenser Wissenschaftler. Ihre Ergebnisse beleuchten ein komplexes regulatorisches Szenario einer zeit- und kontextabhängigen Proteinexpression beim Wechsel zwischen Wachstum und Abwehr.

Originalpublikation:
Mohammad Abukhalaf, Carsten Proksch, Domenika Thieme, Jörg Ziegler & Wolfgang Hoehenwarter. Changing turn-over rates regulate abundance of tryptophan, GS biosynthesis, IAA transport and photosynthesis proteins in Arabidopsis growth defense transitions. BMC Biol 21(1):249. doi: 10.1186/s12915-023-01739-3.

Diese Seite wurde zuletzt am 19 Mar 2025 geändert.