Die Chemie der Edelschokolade.
Die Verarbeitung von Kakaobohnen zu Schokolade beruht auf komplexen traditionellen Trocknungs-, Fermentations- und Röstverfahren, die nicht standardisiert und daher schwer zu reproduzieren sind. Besonders die Produktion von Edelkakao, der sich durch besondere Geschmacksnoten und gesunde Inhaltsstoffe auszeichnet, erfordert demnach dringend eine Standardisierung der Herstellungsverfahren, denn die Premiumschokoladensorten erfreuen sich steigender Beliebtheit und eine gleichbleibend hohe Qualität wird hier erwartet. IPB-Wissenschaftler und Partner aus Kolumbien haben jüngst die stoffliche Zusammensetzung von Kakaomasse analysiert und deren charakteristische Substanzprofile nach bestimmten Produktionsstadien, wie Trocknung, Fermentation und Röstung, erstellt. Die Veränderungen der Inhaltsstoffe während des Kakaoverarbeitungsprozesses haben erhebliche Auswirkungen auf die geschmacklichen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften des Endprodukts und sind bisher wenig erforscht. Deshalb haben die Wissenschaftler bei ihrer Analyse der Kakaomasse-Zusammensetzung auch besonderes Augenmerk auf jene Substanzen gelegt, die mit Geschmacks- und Aromabildung oder mit spezifischen Wirkungen auf den menschlichen Organismus in Verbindung gebracht werden.
Im Ergebnis erhielten sie einen metabolischen Fingerprint von gerösteten, getrockneten und fermentierten Kakaobohnen, der eine Vielzahl der Kakao-Substanzen und die Häufigkeit ihres Vorkommens umfasste. Mit Hilfe der Geschmacksdatenbank FlavorDB, die mehr als 25.000 Moleküle gelistet hat, konnten die Hallenser Chemiker den detektierten Inhaltsstoffen verschiedene Geschmäcker und Aromen zuweisen. Es fanden sich 18 gewünschte Noten beispielsweise nach Vanille, Karamell, Brot, Marmelade und Kartoffeln aber auch 19 unerwünschte Aromen, die an Kohl, Rettich oder Schweiß erinnern oder auch scharf oder bitter schmecken.
Ein Großteil dieser Fehlaromen, so die Feststellung der Wissenschaftler, verlor sich allerdings mit zunehmender Verarbeitung und war demnach in getrockneten und gerösteten Kakaobohnen kaum noch vorhanden, während die gewünschten Noten im Laufe des Verarbeitungsprozesses eher zunahmen. Von allen detektierten Verbindungen wiesen jedoch nur elf Prozent spezifische, in FlavorDB gelistete Geschmacksnoten auf; der noch weitgehend unbekannte Geschmacksraum der Kakaobohne und ihrer Verarbeitungsstufen birgt also noch viel Potential zur weiteren Erforschung. Etwa fünf Prozent der nachgewiesenen Verbindungen waren bereits zuvor als Wirkstoffe bekannt, mit erwiesenen antioxidativen, blutdrucksenkenden und entzündungshemmenden Effekten. Auch dieser Anteil der gesundheitsfördernden Verbindungen steigt mit zunehmender Trocknung und Röstung der Kakaobohne.
Von allen notwendigen Verarbeitungsschritten, so das Fazit der Wissenschaftler, scheint die Röstung der Bohnen den größten Einfluss auf die Entfaltung der Premium-Aromen zu haben. Mit ihrer Studie haben die Hallenser Wissenschaftler den Grundstein für die Entwicklung von künftigen Standardverfahren zur Produktion von Edelschokolade gelegt. Die Erstellung von Vorgaben für die stoffliche Zusammensetzung der Kakaomasse nach jedem einzelnen Bearbeitungsschritt ist die Basis für die Entwicklung von automatisierten Qualitätskontrollen, die später in KI-gesteuerten Korrektureingriffen in laufende Produktionsprozesse münden können.