Teilen oder Wachsen? – Molekularer Schalter zur Steuerung pflanzlichen Organwachstums aufgeklärt

Teilen oder Wachsen? – Molekularer Schalter zur Steuerung pflanzlichen Organwachstums aufgeklärt

Abbildung 1: Wildtyp-Arabidopsispflanzen (Col-0; links) haben kleinere Blüten im Vergleich zu Mutanten, bei denen entweder die Peptidase oder eine der Ubiquitinligasen, die die Zellteilung begrenzen, ausgeschaltet sind (Mitte). Am stärksten ist der Effekt in der Doppelmutante, der beides - funktionale Peptidase und Ubiquitinligase - fehlt (rechts). (Modifiziert nach Dong et al., Genes & Development, 2017).

Wie groß ein Blütenblatt oder ein Samenkorn wird, ist kein Zufall, denn Organwachstum bei Pflanzen ist ein genau abgestimmter Vorgang. Zu Beginn der Organentwicklung erfolgen zunächst Zellteilungen, doch dann stoppen die Teilungsprozesse und gehen in eine Phase über, in der die Zellen sich ausdehnen und differenzieren. Durch dieses charakteristische Verhältnis zwischen Zellteilung, Zellwachstum und Differenzierung erhält ein Blatt oder eine Blüte seine charakteristische Form und Größe.

Die unabhängige Nachwuchsforschungsgruppe Proteinerkennung und -abbau um Nico Dissmeyer hat zusammen mit Kooperationspartnern aus Großbritannien, China und Belgien die molekularen Mechanismen zur Regulierung des Organwachstums untersucht. In ihrer Publikation in Genes & Development ergründen sie, wie der Übergang von Zellteilung zu Zellwachstum gesteuert wird (Dong et al. Ubiquitylation activates a peptidase that promotes cleavage and destabilization of its activating E3 ligases and diverse growth regulatory proteins to limit cell proliferation in Arabidopsis Gen. Dev. 31, 197-208, 2017, doi: 10.1101/gad.292235.116). Wie bei verschiedensten zellulären Prozessen ist auch hierbei die Proteostase, die Regulierung der Proteinmengen in einer Zelle oder einem Zellkompartiment, entscheidend. Für diese proteostastischen Prozesse werden Proteine innerhalb der Zellen oft ubiquitiniert, das heißt, mit dem Markierungsprotein Ubiquitin versehen. Die Ubiquitinierung erfolgt durch spezielle Enzyme, die Ubiquitinligasen, die eine oder mehrere Ubiquitineinheiten auf ihr jeweils spezifisches Substratprotein übertragen. Oft wird das Markierungsprotein in Form von Ubiquitinketten mit dem Zielprotein verknüpft. Je nach Länge, Anzahl, Position, Verknüpfung und Verzweigung der angehängten Ubiquitinkette(n) wird das Protein nachfolgend abgebaut, aktiviert, deaktiviert oder in ein anderes Kompartiment transportiert. Die Ubiquitinierung gleicht damit einer lesbaren Markierung für die zelluläre Bestimmung des Proteins.

Bisher war bekannt, dass die Zellteilung bei der pflanzlichen Organentwicklung von drei verschiedenen Enzymen gehemmt wird: von einer Peptidase und zwei Ubiquitinligasen (Abbildung 1). Die Hallenser WissenschaftlerInnen konnten deren Zusammenspiel nun aufklären. Für die anfängliche Zellteilung sind verschiedene Proteine verantwortlich. Die Zellteilung wird gestoppt, indem diese von der Peptidase gespalten und somit inaktiviert werden. Infolgedessen beginnen die Zellen ihr Volumen zu vergrößern und zu wachsen. Für die Initiierung dieses Szenarios muss die Peptidase jedoch zunächst vorübergehend aktiviert werden. Dissmeyer und KollegInnen fanden heraus, dass die Ubiquitinligasen die Peptidase durch Ubiquitinierung aktivieren. Dass dies nur vorübergehend geschieht, wird durch eine negative Feedback-Schleife realisiert. Das heißt: die Peptidase deaktiviert nicht nur die für die Zellteilung wichtigen Faktoren, sie deaktiviert auch ihre eigenen Aktivatoren – die Ubiquitinligasen. Als proteinspaltendes Enzym trennt sie am Amino-Ende der Ubiquitinligase einen Proteinrest ab. Diese Abtrennung bewirkt, dass die vorher mittig gelegene Aminosäure Tyrosin jetzt als letzte Aminosäure am N-Terminus der Ubiquitinligase exponiert ist.

Hier kommt die Expertise der AG Dissmeyer im Bereich Proteostase gemäß der N-End-Regel ins Spiel.Tyrosin als äußere N-terminale Aminosäure verkürzt laut der sogenannten N-End-Regel die Lebensdauer eines Proteins, indem sie es zum Abbau markiert. Die ForscherInnen konnten zeigen, dass die Ubiquitinligase – mit Tyrosin an exponierter Stelle am N-Terminus – von der zellinternen N-End-Regel-Maschinerie erkannt und anschließend abgebaut wird. Während mehrere Substrate aus anderen Organismen bekannt sind, ist die genannte Ubiquitinligase das erste pflanzliche Protein, für das gezeigt wurde wie es nach Prozessierung an seiner endständigen Aminosäure gemäß der N-End-Regel erkannt und abgebaut wird.

Durch das vielschichtige Zusammenspiel von Peptidase und Ubiquitinligasen wird präzise von Zellteilung auf Zellausdehnung und -differenzierung umgeschaltet und somit die Größe eines Pflanzenorgans begrenzt. Diese Studie am Modellorganismus Arabidopsis hilft, pflanzliches Organwachstum auf molekularer Ebene zu verstehen, was nicht zuletzt von agronomischer Bedeutung im Hinblick auf die Produktion von größeren Früchten und Samen, sowie die Anreicherung von Biomasse in Kulturpflanzenarten sein könnte.

Abbildung 1: Wildtyp-Arabidopsispflanzen (Col-0; links) haben kleinere Blüten im Vergleich zu Mutanten, bei denen entweder die Peptidase oder eine der Ubiquitinligasen, die die Zellteilung begrenzen, ausgeschaltet sind (Mitte). Am stärksten ist der Effekt in der Doppelmutante, der beides - funktionale Peptidase und Ubiquitinligase - fehlt (rechts). (Modifiziert nach Dong et al., Genes & Development, 2017).