+++ Newsticker Wissenschaft #95 +++ Biokatalysatoren +++

Bessere Enzyme durch gerichtete Evolution.

Die aus Pilzen stammenden Unspezifischen Peroxygenasen (UPOs) haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten als hocheffiziente Biokatalysatoren für die Oxyfunktionalisierung von Kohlenstoff, Schwefel und Stickstoff erwiesen. Während ihre hervorragende Aktivität und Stereoselektivität die Enzyme für künftige industrielle Synthesen interessant macht, führt die niedrige Regio- und Chemoselektivität der UPOs aber zu Produktgemischen, was ihren Nutzen beeinträchtigt. Dieser verminderten Nutzbarkeit der UPOs für Produktsynthesen im Großmaßstab wird bisher durch eine geschickte Substratauswahl entgegengewirkt. Die Entwicklung von UPOs, die selektive Hydroxylierungen substratunabhängig katalysieren, würde deren Anwendbarkeit als Biokatalysatoren stark erhöhen und steht daher im Mittelpunkt vieler wissenschaftlicher Bestrebungen.

Eine solche Anpassung für chemische und regioselektive Transformationen ist IPB-Forschern jüngst für das aus dem thermophilen Pilz Myceliophthora thermophila stammende Enzym MthUPO gelungen. Dafür setzten sie mit der Golden Mutagenesis-Technik gezielt Mutationen an neun verschiedenen Aminosäurepositionen des Enzyms. Die entstandene Mutantenbibliothek wurde in Saccharomyces cerivisiae transformiert und anschließend nach Varianten durchforstet, die sich durch gute Oxyfunktionalisierungsaktivitäten mit hohen Chemo- und Regioselektivitäten auszeichnen. Dieser Screen von über 5300 Transformanten wurde mit Split-GFP- kolorimetrischen Assays realisiert. Er führte zu MthUPO-Varianten, die sowohl regioselektive aromatische Oxidationen als auch chemoselektive benzylische Hydroxylierungen mit 2-Methylnaphthalin und anderen Naphthalin-Derivaten katalysieren. Unter den vielversprechenden Enzymkandidaten fanden sich Drei- und Vierfachmutanten mit bis zu 16-mal höherer katalytischer Effizienz. Mit Computermodelling-Methoden konnten die Hallenser Wissenschaftler zeigen, dass dieses Protein-Engineering-Verfahren bei manchen der entstandenen Enzymvarianten zu signifikanten Umgestaltungen des aktiven Zentrums geführt hatten.

Ermöglicht wurde diese beeindruckende Bemühung um gerichtete Evolution erst durch das zuvor entwickelte Hochdurchsatz-Hefe-Expressionssystem, das ebenfalls aus dem Labor der Hallenser Enzymexperten stammt. Die Studie ebnet den Weg für eine breitere Anwendung von UPOs in Enzymkaskaden und in der organischen Chemie.

Originalpublikation:
Anja Knorrscheidt, Jordi Soler, Nicole Hünecke, Pascal Püllmann, Marc Garcia-Borràs & Martin J Weissenborn. Accessing Chemo- and Regioselective Benzylic and Aromatic Oxidations by Protein Engineering of an Unspecific Peroxygenase. ACS Catal. 2021, 11, 12, 7327–7338, DOI: 10.1021/acscatal.1c00847