+++ Newsticker Wissenschaft 89 +++ Glanduläre Trichome +++

Rätselhafter Transkriptionsfaktor.

Glanduläre Trichome auf den Blättern von Kulturtomaten produzieren eine Reihe von flüchtigen Mono- und Sesquiterpenen, die eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Pathogenen und Schadinsekten spielen. Die wichtigsten Enzyme in diesem Szenario sind die Terpensynthasen, deren Funktion bereits umfassend untersucht wurde. Relativ wenig bekannt ist hingegen über die transkriptionelle Regulation der glandulären Terpensynthasen. Wissenschaftler des IPB haben nun anhand von bestehenden Transkriptomdaten mehrere Transkriptionsfaktoren, die in Trichomen stark exprimiert sind, ausgewählt und deren Genaktivität in planta durch virusinduziertes Gen-Silencing gedimmt. Im Ergebnis fanden sie einen Transkriptionsfaktor der Scarecrow-like (SCL)-Subfamilie, dessen partielles Fehlen in der Tomatenpflanze zu einer signifikanten Abnahme sowohl der exprimierten Terpensynthasen als auch der produzierten flüchtigen Terpene führte. Die Überexpression dieses mit SlSCL3 bezeichneten Transkriptionsfaktors hatte indes den gegenteiligen Effekt: die Biosynthese der volatilen Terpene wurde angekurbelt und auch die Größe der Reaktionsgefäße schwoll an. Die Köpfchen der glandulären Trichome auf der Blattoberfläche der Überexpressionslinien waren etwa anderthalbmal größer als jene der Wildtyppflanzen.

Soweit – so logisch. Ein vollständiger Knock-out des SlSCL3-Gens durch CRISPR-Cas zeigte hingegen ein komplizierteres Bild. Die homozygoten Nachkommen der Slscl3-Knockout-Linie produzierten etwa 40 % weniger flüchtige Terpene, während die heterozygoten F1-Pflanzen – ähnlich wie die Überexpressionslinien – mehr Terpene herstellten als der Wildtyp. Zudem stellten die Hallenser Wissenschaftler weitere Rätselhaftigkeiten fest. So konnten sie für den SlSCL3-Transkriptionsfaktor weder eine direkte Protein-DNA-Bindung noch eine Interaktion mit bisher bekannten Regulatoren beobachten. Auch der Level an endogener SlSCL3-mRNA verhielt sich wider Erwarten: er war in den Überexpressionlinien vermindert, aber sowohl in den heterozygoten als auch in den homozygoten Knockout-Mutanten erhöht. SlSCL3 reguliert seine eigene Transkription, vermutlich durch negative Rückkopplung, so das Fazit der Wissenschaftler. Dennoch bleiben viele Fragen offen und weitere Interaktionspartner müssen noch gefunden werden, bevor man dieses komplexe Regulationsszenario besser versteht.

Die Aufklärung dieses Regulationsnetzwerkes ist von großer Relevanz, weil Wildtomaten wie Solanum habrochaites natürlicherweise mehr volatile Terpene produzieren als Kulturtomaten (Solanum lycopersicum), deren Fähigkeiten zur Insektenabwehr im Laufe der Züchtung zum Teil verloren gegangen ist. Ein besseres Verständnis der Unterschiede im Stoffwechsel beider Tomatenarten kann genutzt werden, um die Kulturtomaten wieder resistenter gegen Krankheitserreger und Fraßfeinde zu machen.

Originalpublikation:
Changqing Yang, Sylvestre Marillonnet & Alain Tissier .The Scarecrow-Like Transcription Factor SlSCL3 Regulates Volatile Terpene Biosynthesis and Glandular Trichome Size in Tomato (Solanum lycopersicum). Plant Journal, DOI: 10.1111/tpj.15371