Neuartige Metabolomics-Methode erlaubt Einsichten in Ökologie und Chemodiversität.
In der Biodiversitätsforschung werden Pflanzenproben oftmals an weit entfernten Orten gesammelt, bevor sie Monate später im Heimatlabor und meist in getrocknetem Zustand einer biochemischen Analyse unterzogen werden. Bioinformatiker des IPB haben jetzt gemeinsam mit Partnern von MLU und iDiv ein Framework zur in silico-Substanzklassifzierung entwickelt, das die Erfassung und Zusammenführung aller verfügbaren theoretischen Fragment-Ionen-Massenspektren zur Ecometabolomics-Analyse ganzer Pflanzengruppen erlaubt. Das Framework wurde anhand von vergleichenden Untersuchungen des Metabolitenspektrums von zehn verschiedenen Moos-Arten erstellt, die sowohl frisch gesammelt als auch in getrocknetem Zustand als Herbarproben vorlagen. Die untersuchten Bryophyten wurden zunächst in verschiedene Metabolitenfamilien eingeteilt, die sich aber nicht an Verwandtschaftsgraden der Pflanzen orientierten, sondern an biochemisch-physiologischen Prozessen. Erfasst und zugeordnet wurden beispielsweise Metaboliten, die bei Stabilität und Struktur (Zellwand- und Membranbestandteile, Kohlenhydrate) eine Rolle spielen oder bei der chemischen Verteidigung (Polyphenole, Steroide), beim Schutz vor reaktiven Sauerstoffverbindungen (Alkaloide, Aminosäuren, Flavonoide) oder bei der Pflanzenernährung und Photosynthese (stickstoff- und phosphathaltige Glycerophospholipide).
Mit Hilfe von statistischen Testmethoden sowie verschiedenen Cluster- und Redundanzanalysen konstatierten die Hallenser Wissenschaftler qualitative und quantitative Unterschiede in der Metabolitenzusammensetzung, die einen engen Bezug zur Frische der Proben und den vorhandenen Arten der postulierten Metabolitenfamilien aufwiesen. Anhand der Veränderungen der Metabolitenspektren innerhalb der Metabolitenfamilien fanden die Bioinformatiker klare Hinweise auf ökologische Rahmenbedingungen, wie Trockenstress (durch Detektion von Proteinen, Flavonoiden und Terpenen), Lichtverfügbarkeit, Temperatur und Interaktionen mit Nutz- und Schadorganismen. Die hier vorgeschlagene Metabolitenklassifizierung nach physiologischen Gesichtspunkten erlaubt eine erhebliche Beschleunigung von komplexen Annotationsprozessen, so die Hallenser Wissenschaftler. Sie kann ein mächtiges Werkzeug sein, um Zusammenhänge sowohl in der Molekularbiologie als auch in der Ökologie zu erkennen; ersteres durch Hereinzoomen in die Datenlage, letzteres durch Herauszoomen. Das entwickelte Framework erlaubt ein Aufstellen neuer Forschungshypothesen und deren Überprüfung durch detaillierte Folgestudien.