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Analyse von verzuckertem Blut.

Wissenschaftler/innen des IPB haben gemeinsam mit Partnern aus Russland und der MLU das Glykierungspotenzial von Nahrungszuckern im menschlichen Blut untersucht. Unter Glykierung versteht man die spontane, nicht enzymatisch gesteuerte Reaktion von Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren mit reduzierenden Zuckern und den Carbonylprodukten ihres Abbaus. Die resultierenden Reaktionsprodukte werden als Advanced Glycation Endproducts (AGEs) bezeichnet. AGEs entstehen exogen während des Garprozesses von Proteinen mit Kohlenhydraten oder endogen im Blutkreislauf, wo hauptsächlich Fruktose und Galaktose mit körpereigenen Proteinen reagieren. Die mit der Lebenszeit wachsende Anreicherung von AGEs im menschlichen Organismus trägt zur Entstehung von Diabetes und neurodegenerativen Erkrankungen bei.

Obgleich die Glykierungspotenziale von verschiedenen Einfachzuckern im Einzelnen bereits gut charakterisiert sind, versteht man die der endogenen Glykierung zugrundeliegenden Mechanismen nur ansatzweise. Hier setzten die Hallenser Wissenschaftler an. Nach Inkubation von humanem Serumalbumin mit verschiedenen Monosacchariden bestimmten sie die aus dem Zucker-Abbau resultierenden Dicarbonyl-Zwischenprodukte und auch die Glykierungsmuster der Blutproteine. Dafür etablierten sie eine massenspektrometriebasierte Verfahrensplattform, in der sie erstmals alle erforderlichen Techniken zur parallelen Dicarbonyl-, Kohlenhydrat- und Proteomics-Analyse miteinander kombinierten. Im Ergebnis lokalisierten sie 23 verschiedene Glykierungsorte im Serumprotein, deren Reaktionsfreude von der Art des angreifenden Zuckers, der Konzentration der gebildeten Dicarbonyle und vom Vorhandensein benachbarter stabilisierender funktionaler Gruppen beeinflusst wurde.

AGEs werden in der Lebensmittelindustrie als Farbstoffe und Geschmacksverstärker eingesetzt. Während man ursprünglich davon ausging, dass diese Zusatzstoffe ungefährlich sind, deuten neuere Studien darauf hin, dass AGEs an der Pathogenese von Zivilisationskrankheiten beteiligt sind. Die Studie der Hallenser Wissenschaftler könnte künftig dazu beitragen, das Glykierungspotenzial von Nahrungsmittelzuckern und deren Stoffwechselverhalten im Organismus besser einzuschätzen. Eine entsprechende Kennzeichnung ihres Glykierungseffektes auf kommerziellen Lebensmitteln könnte aus diesen Kenntnissen resultieren.

Originalpublikation:
Nadezhda Frolova, Alena Soboleva, Viet Duc Nguyen, Ahyoung Kim, Christian Ihling, Daniela Eisenschmidt-Bönn, Tatiana Mamontova, Uta M. Herfurth, Ludger A. Wessjohann, Andrea Sinz, Claudia Birkemeyer, Andrej Frolov. Probing glycation potential of dietary sugars in human blood by an integrated in vitro approach.
Food Chemistry 347 (2021)