+++ Newsticker Wissenschaft #156 +++ Biokatalysatoren +++

Enzymengineering macht UPO erstmals enantioselektiv.

Unspezifische Peroxygenasen (UPOs) pilzlichen Ursprungs katalysieren sehr effizient eine Vielzahl an Hydroxylierungsreaktionen und benötigen ausschließlich Wasserstoffperoxid als Cosubstrat. Ihr Einsatz als Biokatalysatoren in ausgesuchten Synthese- und Biotechnologieverfahren wird jedoch manchmal durch ihre suboptimalen Regio- und Enantioselektivitäten gegenüber bestimmten Substraten limitiert. Die Entwicklung dieser vielversprechenden Enzyme für die industrielle Anwendung wurde in den letzten zehn Jahren intensiv vorangetrieben, wobei die heterologe Expression, die Aktivität, die Stabilität und die Verbesserung der Chemo- und Regioselektivität im Mittelpunkt standen. Ein bisher fehlender Bestandteil war das gezielte Engineering der Enantioselektivität für spezifische Substrate bei Enzymen mit schlechter Ausgangs-Enantioselektivität. Wissenschaftlern des IPB sowie Partnern der MLU und aus Spanien ist es nun erstmals gelungen, das aus dem thermophilen Pilz Myceliophthora thermophila stammende Enzym MthUPO für die enantioselektive Hydroxylierung des Terpenmodellsubstrats β-Ionon zu befähigen.

Im Ergebnis ihres computergestützten Enzym-Engineerings entstanden zwei MthUPO-Varianten, die sich jeweils durch eine hohe (R)- oder (S)-Enantioselektivität von nahezu 100 Prozent auszeichneten. Beide Varianten zeigten zudem hohe Regioselektivitäten und eine 17-fache Steigerung der Enzymaktivität. Auf der Grundlage von In-silico-Vorhersagen konnten die Chemiker am aktiven Zentrum des Enzyms die relevanten Reste für die Substratbindung identifizieren und entsprechend eine kleine Bibliothek von 1600 Enzymvarianten erstellen, aus denen sie jene MthUPOs fischten, die entweder bevorzugt die (R)- oder (S)-Form des β-Ionon-Substrates umsetzen. Das Screening der enantioselektiven Enzymvarianten erfolgte mit der sogenannten MISER-Methode, ein schnelles GC-MS-basiertes Verfahren, das von den Hallenser Wissenschaftlern zuvor entwickelt worden war (Siehe Newsticker #43).

Das Gelingen ihres Vorhabens haben die Enzymexperten auch jenem Fakt zu verdanken, dass das aktive Zentrum der MthUPO aufgrund seiner hydrophoben Eigenschaft besonders gut für Selektivitätsentwicklungsansätze geeignet ist. So konnten sie für die Umgestaltung des aktiven Zentrums ein deutlich reduziertes Aminosäurealphabet verwenden, das ausschließlich aus hydrophoben Aminosäuren besteht. Die vorliegende Arbeit ebnet den Weg zum schnellen Engineering von UPOs für die enantioselektive Umsetzung von Terpenderivaten und anderen Substraten und löst damit eine der letzten verbleibenden Herausforderungen in der UPO-Forschung, ist das Fazit der Wissenschaftler.

Dies gilt ganz besonders für die Entwicklung künftiger Biokatalysen zur Herstellung von speziellen Terpenen, die aufgrund ihrer hervorragenden pharmakologischen Aktivitäten interessante Verbindungen für medizinische Anwendungen darstellen. Auch die als Rosenketone bekannten Ionone, die als Terpenoide für dieses Experiment genutzt wurden, sind hochgeschätzte Substanzen in der Duftstoffindustrie. Die jährliche Produktion von β-Iononen beträgt weltweit 4000-8000 Tonnen. Darüber hinaus fungieren diese Duftstoffe als wichtige Bausteine für die Synthese vieler Carotinoide und Retinol (Vitamin A). Für ihre Derivate sind zahlreiche pharmakologische Aktivitäten beschrieben, darunter sowohl krebshemmende als auch krebsfördernde, aber auch entzündungshemmende und antimikrobielle Wirkungen.

Originalpublikation:
Judith Münch, Jordi Soler, Nicole Hünecke, Dominik Homann, Marc Garcia-Borràs & Martin J. Weissenborn. Computational-Aided Engineering of a Selective Unspecific Peroxygenase toward Enantiodivergent β-Ionone Hydroxylation. ACS Catal. 2023, 13, 13, 8963–8972, https://doi.org/10.1021/acscatal.3c00702