IPB-Wissenschaftler haben Golden Mutagenesis, eine schnelle und effiziente Methode für zielgerichtete Mutagenese und ein dazugehöriges Web-Tool für Primer-Design und Auswertung, entwickelt. Ihre Ergebnisse stellten sie kürzlich in Scientific Reports vor. Bei der Entwicklung arbeiteten Biologen, Chemiker und Informatiker aus verschiedenen Forschungsgruppen des Instituts zusammen - allen voran die beiden Doktoranden und Erstautoren der Studie, Pascal Püllmann (UNG Bioorganische Chemie) und Chris Ulpinnis (AG Bioinformatik & Massenspektrometrie).
In der UNG Bioorganische Chemie beschäftigen sich die Forscher mit der Optimierung von Enzymen, indem sie zufällige oder gezielte Mutationen einfügen und anschließend die Enzymfunktion testen. Pascal Püllmann und sein Betreuer Martin Weissenborn sahen sich vor dem Problem, dass es bisher nur komplexe, unpraktische Lösungen gab, um viele Mutagenese-Reaktionen möglichst parallel und zugleich sättigend – das heißt, alle möglichen Aminosäuren-Austausche abdeckend – durchzuführen. Um dafür eine Lösung zu entwickeln, taten sie sich mit Sylvestre Marillonnet, Experte für molekularbiologische Werkzeuge und Gruppenleiter der AG Synthetische Biologie, zusammen.
Gemeinsam schufen sie ein neues Mutagenese-Protokoll auf Grundlage der von Marillonnet etablierten Golden Gate-Klonierungsmethode, die von vielen am IPB und darüber hinaus genutzt wird. „Bei Pascals Fragestellung war klar: er benötigt eine effektive Methode, die ihm eine Bibliothek von mutierten Enzymen liefert.“, so Sylvestre Marillonnet. „Mit Golden Mutagenesis haben wir jetzt ein Verfahren dafür entwickelt.“
Die zugrundeliegende Golden Gate-Methode nutzt Restriktionsenzyme, die DNA nicht direkt innerhalb, sondern etwas außerhalb einer Erkennungssequenz schneiden. Somit kann man DNA-Fragmente mit maßgeschneiderten Überhängen entstehen lassen. Bei Golden Mutagenesis werden Erkennungssequenz, Überhänge und Mutationen durch spezielle Primer an die Fragmente gehängt. Die anschließende kombinierte Reaktion aus Restriktion (Schneiden) und Ligation (Verbinden) erlaubt das schnelle, geordnete Zusammenfügen der mutagenisierten DNA-Fragmente. „Gemeinsam mit Sylvestre haben wir die nötigen Plasmide erstellt und einen Workflow entwickelt, der alle Anforderungen sehr elegant und zeitsparend erfüllt“, berichtet Pascal Püllmann, „Der große Nachteil war jedoch das komplizierte Primer-Design, denn es erforderte die Berücksichtigung von vielen Parametern.“
So kam den Wissenschaftlern die Idee, das Primer-Design zu automatisieren und damit die Technik nicht zuletzt auch einem größeren Anwenderkreis zu öffnen. Martin Weissenborn erinnert sich: „Wir teilen uns ja das Gebäude und die Teeküche mit den Bioinformatikern. Da haben wir die Kollegen von nebenan gefragt, ob sie uns mit der Automatisierung helfen können.“ Die Antwort lautete „Ja!“ und so übernahm Doktorand Chris Ulpinnis aus der AG Neumann die Programmentwicklung.
„Wir haben uns regelmäßig getroffen. Pascal erklärte mir ein Primer-Design-Beispiel und ich habe einen entsprechenden Prototyp geschrieben. So haben wir nach und nach das Programm entwickelt.“ berichtet Chris Ulpinnis, der auch die zeitaufwendige Programmierung einer anwenderfreundlichen Benutzeroberfläche meisterte. Steffen Neumann ergänzt: „Dabei war uns wichtig, dass wir das Tool von Anfang als Cloud-basierten Dienst entwickeln und ein quelloffenes Konzept verfolgen.“
Mit dem Golden Mutagenesis Web-Tool können Anwender eine DNA-Sequenz hochladen, zu mutierende Positionen auswählen, die Zahl und Art der möglichen Mutationen bestimmen und bei Bedarf verschiedene weitere Parameter individuell anpassen. Es werden dann die passenden Fragmente und zugehörigen Primer vorgeschlagen – eben auch für zufallsbasierte Sättigungsmutagenese. Nach der Durchführung der Mutagenese im Labor können wiederum die Sequenzierungsergebnisse in das Tool hochgeladen und ausgewertet werden.
Auf die Frage, wie die Verständigung über die Fachgrenzen denn so lief, fasst Steffen Neumann zusammen: „Interessant war die Erfahrung, dass Chemiker und Biologen versuchen, das Problem für den Informatiker erst einmal stark zu vereinfachen, was nicht immer hilft. Oft ist es besser, alle Extras und Sonderfälle gleich von vornherein beim Programmieren zu berücksichtigen.“ Alles in allem sind sich die Wissenschaftler aber einig, dass der „kurze Dienstweg durch die Teeküche“ dieses gemeinsame Projekt erst so ermöglicht hat und freuen sich über die erfolgreiche Veröffentlichung.
Originalpublikation:
Püllmann, P.; Ulpinnis, C.; Marillonnet, S.; Gruetzner, R.; Neumann, S.; Weissenborn, M. J. Golden Mutagenesis: An efficient multi-site-saturation mutagenesis approach by Golden Gate cloning with automated primer design Sci Rep 9, 10932, (2019) DOI: 10.1038/s41598-019-47376-1