Schlaue Pflanzen sollen künftig in der Abteilung Stoffwechsel- und Zellbiologie erschaffen werden. Mit dem Projekt Smartplants ist Alain Tissier gemeinsam mit Wissenschaftlern aus England und Lettland ein großer Wurf auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie gelungen. 48 Gruppen aus ganz Europa reichten ihre Projekte im Rahmen der zweiten Ausschreibung der internationalen Förderinitiative ERASynBio ein. Sieben davon, darunter Smartplants, überzeugten die Jury und werden nun weiter finanziert. Für Smartplants bedeutet das 1,3 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre.
Worum geht es in diesem Projekt?
Ausgehend von dem Gedanken, dass die grünen Anteile der meisten Kulturpflanzen nach der Ernte ungenutzt entsorgt werden, will man Pflanzen dazu bringen, wirtschaftlich begehrte Substanzen in ihren Blättern zu produzieren. Diese in den Smartplants etablierte Biosynthese soll mit normalen physiologischen Prozessen, wie der Blühinduktion, gekoppelt werden. Erst wenn die Pflanze ihre Blüte entwickelt, beginnt demnach die Produktion der gewünschten Substanzen in den Blättern. Das hat den Vorteil, dass die natürliche Entwicklung der Pflanze bis zur Blüte nicht gestört wird.
Im konkreten Fall soll in der Pflanze Z-Abienol produziert werden. Z-Abienol ist ein Diterpen, das in der Parfümindustrie zur Herstellung von teuren Düften wie Chanel genutzt wird. Im Experiment werden zunächst Arabidopsispflanzen mit den notwendigen Biosynthesegenen von Z-Abienol transformiert. Durch eine Änderung der Kultivierungsbedingungen von Kurztags- auf Langtagskonditionen wird in den transgenen Pflanzen der Startschuss für die Blütenentwicklung gegeben. Der natürlicherweise in der Pflanze vorhandene Blühinduktionsfaktor FT (Flowering Locus T) soll dann künstlich designte TAL-Effektoren (Transcription Activator-Like Effectors) aktivieren, welche wiederrum über entsprechende, ebenso designte, Promotoren (Synthetic TALE Activated Promotors, STAPs) die Biosynthesegene von Z-Abienol anschalten.
Aufbau eines parallel regulierten Netzwerkes
Wenn dieses Szenario aufgehen soll, muss jedoch eines bedacht werden: Das Blühsignal FT wird in der Pflanze nur schwach aktiviert. Es startet in den Blattnerven und breitet sich auch nur lokal begrenzt innerhalb des Gefäßsystems in der Pflanze aus. Die große Herausforderung besteht also darin, aus dem schwachen Impuls des Blühsignals eine starke, die gesamte Pflanze erfassende Aktivierung der Biosynthesegene zu erreichen, sodass das gewünschte Z-Abienol tatsächlich in allen Blättern und in großen Mengen produziert wird. Deshalb sind vor dem eigentlichen Biosyntheseexperiment umfangreiche Vorversuche in Arabidopsis und Tabak geplant.
Durch das Einschleusen mehrerer, sich immer wieder selbst aktivierender TALE-Gene will man transkriptionale Kaskaden und positive Feedback-Schleifen aufbauen. Die Optimierung dieses Prozesses wird auch am Computer mit diversen Modellierungsprogrammen erfolgen. Im besten Fall hat man dann erreicht, was man anstrebte: Die Ausbreitung und Verstärkung des relativ schwachen und lokal begrenzten Blühsignals auf die gesamte Pflanze, gekoppelt mit der Aktivierung gewünschter Gene bzw. der Produktion gewünschter Stoffe. Man hat also neben dem eigentlichen Blühsignalregulationsnetzwerk, ein zweites parallel reguliertes Netzwerk, ein sogenanntes PARnet aufgebaut.
Da der Blühinduktionsfaktor FT sich im Laufe der Evolution kaum geändert hat und demnach in allen Pflanzen gleich ist, sollte ein Transfer dieses FloweringPARnets von Arabidopsis auf Kulturpflanzen mit größerer Biomasse, wie beispielsweise Tabak, möglich sein. Eine Produktion des begehrten Duftstoffes Z-Abienol im Industriemaßstab wäre dann denkbar.
Temperaturabhängiges PARnet
In einem zweiten Teilprojekt will man ein weiteres PARnet aufbauen, das an Temperaturparameter gekoppelt ist. Hier soll eine deutlich erhöhte Umgebungstemperatur dazu führen, dass das regulatorische Netzwerk aktiviert wird. Das Zielgen wird in diesem Fall für eine Isoprensynthase codieren, die für die verstärkte Biosynthese von Isopren sorgen wird, sobald die erhöhte Umgebungstemperatur als auslösendes Signal erreicht ist. Isopren wird hauptsächlich von Bäumen bei hohen Temperaturen gebildet. Es gilt als Schutzstoff vor Hitzestress bei Holzpflanzen. In krautigen Pflanzen und Kulturpflanzen kommt Isopren natürlicherweise nicht vor. Ein erhöhter Isoprenanteil in den PARnet-Pflanzen könnte diese Smartplants resistenter machen gegen Hitze. Umfangreiche Nachuntersuchungen der Temperatur-Smartplants sollen belegen, ob diese Pflanzen erhöhte Temperaturen tatsächlich besser vertragen. Im Angesicht der globalen Erwärmung ist dieser Ansatz ein wichtiger Versuch, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.
Eine internationale Konferenz wird den Abschluss der dreijährigen Projektphase bilden. Hier will man nicht nur die Ergebnisse zusammentragen und strategisch in die Zukunft denken, sondern auch ethische und sicherheitsrelevante Fragen im Zusammenhang mit Smartplants diskutieren.