Im Rahmen der Wirkstofftage am 9. April 2025 verlieh das Leibniz-Forschungsnetzwerk Wirkstoffe den Preis „Leibniz-Wirkstoff des Jahres“ 2025 an Dr. Ibrahim Morgan, Dr. Robert Rennert, Dr. Tuvshinjargal Budragchaa und Prof. Dr. Ludger Wessjohann für ihre Forschungsergebnisse zu SelectAHRyl A - einem vielversprechenden Wirkstoffkandidaten für Krebsarten, die den sogenannten Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor (AHR) besitzen. Die Aktivität dieses Rezeptors erhöht die Resistenz dieser Krebszellen gegen Krebsmedikamente und macht diese Art der Tumoren besonders schwer behandelbar. Das sind z.B. verschiedene Leber – und Brustkrebszellen, hier vor allem sogenannte dreifach negative Zelllinien, also solche, die auf drei Standardbehandlungen nicht ansprechen.
Eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten bleibt deren gezielte Wirkung auf Krebszellen ohne normale Zellen zu sehr zu belasten. Im Rahmen der Forschung an einer anderen Wirkstoffklasse fiel SelectAHRyl A durch seine hochselektive Wirkung auf bestimmte Krebszellen auf. Die für sich selbst ungiftige und unwirksame Substanz wurde letztlich als hochselektiver Vorläuferwirkstoff (Prodrug) identifiziert, der erst in der Krebszelle aktiviert wird. Durch eine Reihe von biochemischen und zellbasierten Studien konnten der zelluläre Wirkmechanismus der Verbindung aufgeklärt und eine Aktivierung über den AHR-Regulationsweg nachgewiesen werden. AHR dient Zellen dazu, fremde Substanzen (z.B. Krebsmedikamente) zu erkennen und dann Prozesse zu deren Beseitigung in Gang zu setzen, was z.B. Resistenzen bewirkt. Durch die Aktivierung des AHR initiiert SelectAHRyl A aber nicht seine Beseitigung, sondern seine eigene Umwandlung in SelectAHRyl B. Erst SelectAHRyl B ist dann zytotoxisch und bleibt in den Krebszellen gefangen bis es diese zum Absterben gebracht hat. Das eigentlich ungiftige SelectAHRyl A kapert also einen Resistenzmechanismus von Krebszellen und nutzt ihn, um sich selbst zu deren Bekämpfung zu aktivieren.
Der neu entdeckte Autoaktivierungsmechanismus, bei dem der AHR-Regulationsweg quasi als Türsteher fungiert, erhöht nicht nur die Tumorspezifität des Wirkstoffs, sondern minimiert auch Nebenwirkungen, sogenannte Off-Target-Effekte. Darüber hinaus hemmt SelectAHRyl B nicht nur ein einziges Zielprotein, sondern eine ganze Familie für die Krebszelle lebenswichtiger Enzyme. Somit kann die Tumorzelle der Wirkung durch kleine Veränderungen in den Proteinen nicht ausweichen und die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung ist gering. Die Ergebnisse positionieren SelectAHRyl A als einen vielversprechenden Wirkstoff-Entwicklungskandidaten für AHR-exprimierende Krebsarten.