Stressresistenter Weizen - vermeintliche Enzymaktivität widerlegt.
Wenn Nutzpflanzen biotischem oder abiotischem Stress ausgesetzt sind, hat das oft Ernteeinbußen zur Folge. Um Pflanzen resilienter gegenüber Stress zu machen, ist ein molekulares Verständnis der pflanzlichen Stressantworten erforderlich. 2014 haben chinesische Forscher bei der Sorte Shanrong 3 des Brotweizens (Triticum aestivum) eine erhöhte Toleranz gegenüber Salzen und oxidativem Stress festgestellt. Auf der Suche nach molekularen Ursachen für diese Eigenschaft entdeckten sie die Proteinvariante sro1, die von einem für diese Weizensorte spezifischen Allel kodiert wird und – laut den damaligen Studienergebnissen – als Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP) fungiert. PARP-Enzyme können Zielproteine mit Poly-ADP-Riboseketten versehen und dadurch ihre Funktion innerhalb einer Signalkette wie der Stressantwort beeinflussen. Die chinesischen Forscher berichteten von einer erhöhten PARP-Aktivität des sro1-Proteins im Vergleich zu anderen PARP-Varianten. Da PARP-Enzyme für verschiedene Stressantworten relevant sind, postulierten sie einen Zusammenhang zwischen den verbesserten Stresseigenschaften von Shanrong 3 und dieser Aktivität.
Auffällig war jedoch, dass die sro1-Proteinvariante deutliche Abweichungen zur konservierten Aminosäuresequenz von PARPs aufweist. Daher hat ein Team von Wissenschaftlern des IPB und der FU Berlin kürzlich die vor 8 Jahren veröffentlichten Ergebnisse nochmal einer Prüfung unterzogen. Es gelang ihnen, eine Kristallstruktur der PARP-Domäne von sro1 zu erhalten. Die Strukturanalyse offenbarte, dass zwar die typische PARP-Faltung vorliegt, jedoch entscheidende konservierte Reste für die ADP-Ribosylierungsreaktion an kritischen Stellen des aktiven Zentrums fehlen. Anschließend testeten die Wissenschaftler, ob sro1 das für PARPs notwendige Co-Substrat NAD+ binden und ADP-Ribosylierungen katalysieren kann. Doch sowohl NAD+-Bindungsassays als auch in vitro und in Pflanzenextrakt durchgeführte Tests auf PARP-Enzymaktivität waren negativ.
Auf Grundlage dieser Ergebnisse argumentiert das Forscherteam, dass die Stresstoleranz des Shanrong 3-Weizens höchstwahrscheinlich nicht auf einer erhöhten PARP-Aktivität der sro1-Proteinvariante beruht. Vielmehr scheint die Weizensorte eine veränderte Redox-Homöostase aufzuweisen, deren molekulare Mechanismen es in Zukunft aufzuklären gilt.
Publikation:
Sarah Vogt, Karla Feijs, Sebastian Hosch, Raffaella De Masi, Ruth Lintermann, Bernhard Loll, Lennart Wirthmueller, The superior salinity tolerance of bread wheat cultivar Shanrong No. 3 is unlikely to be caused by elevated Ta-sro1 poly-(ADP-ribose) polymerase activity, The Plant Cell, 2022; koac261, https://doi.org/10.1093/plcell/koac261