Projektgruppe Phytoeffektoren
Die meisten Ertragsverluste in der Landwirtschaft werden nicht durch Schädlinge und Krankheiten verursacht, sondern sind zu etwa 80% Folgen von Dürre und - in viel geringerem Maße - anderen Formen abiotischen Stresses (u.a. zuviel Frost, Salz, UV, Hitze, oder Düngedefizite). Unser Ziel ist es, die Toleranz der Pflanzen gegenüber Dürre als dem zentralen Umweltfaktor durch gentechnikfreie Möglichkeiten zu erhöhen, die zudem zeitlich und räumlich kontrolliert anwendbar sind. Die für solche adaptiven Modifikationen eingesetzten Pflanzenschutzmittel werden als Phytoeffektoren bezeichnet und wirken im Idealfall unabhängig von der verwendeten Pflanzenart und -sorte, d.h. der Landwirt ist in seiner Wahl des Lieferanten nicht eingeschränkt und kann auf eigenes oder sehr biodiverses Saatgut verschiedener Anbieter zurückgreifen.
Im Allgemeinen erzeugt Trockenheit starken oxidativen Stress und induziert eine signifikante Umsteuerung des pflanzlichen Stoffwechsels. Unter anderem werden in aufwändigen Prozessen vor Trockenheit schützenden Proteine und Metaboliten akkumuliert. Die Pflanze nutzt einen großen Teil ihrer Energieressourcen, um eine nächste Generation zu sichern, z.B. indem sie DNA schützt oder gar in eine unerwünschte Notreifung geht, anstatt auf bessere Zeiten zu warten und etwas später wieder normalen Ertrag zu liefern.
Unter Trockentoleranz versteht man gewöhnlich den pflanzenphysiologischen Zustand, der die Erhaltung der Pflanzenproduktivität trotz ungünstiger osmotischer Bedingungen ermöglicht. In diesem Zusammenhang wird von toleranten Nutzpflanzen erwartet, dass sie ihre Produktivität und ihren Nährwert auch unter ungünstigen Bedingungen erhalten oder nach Ende der Stressperiode wiedererlangen. Dies kann durch den Einsatz von trockenstresstoleranzsteigernden Phytoeffektoren erreicht werden, bei denen es sich typischerweise um Inhibitoren von Schlüsselenzymen der Trockenstressantwort der Pflanze handelt (für eine Übersicht siehe: Int. J. Mol. Sci. 2018, 19, 4089). Die Hauptziele der Projektgruppe sind daher:
- die Entwicklung adäquater Assays und Modelle zur Charakterisierung von Pflanzenstressreaktionen,
- die Charakterisierung der molekularen Aspekte von Trockenstress und Dünger (Harnstoff)-Effekten auf Pflanzen und damit einhergehend ...
- die Identifizierung möglicher Zielproteine und Wirkmechanismen für einen Phytoeffektor-basierten Pflanzenschutz,
- die Suche nach neuen potenten Phytoeffektoren,
- Design und Synthese von Pflanzenschutzmitteln untermauert durch Untersuchung von SAR - und ADM(T) -Eigenschaften von Pflanzenschutzmitteln.
Ein kürzlich abgeschlossenes Leuchtturmprojekt "Beeinflussung biologischer Prozesse mit kleinen Molekülen - ein neuartiger Ansatz in der Pflanzenernährungsforschung zur Verbesserung der Stickstoff-Effizienz" finden Sie hier. Dabei handelt es sich um ein Verbundforschungsprojekt unter dem Dach des "Agrochemischen Instituts Piesteritz e.V.", das durch EFRE und das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt, den Stickstoffwerken SKW Piesteritz unter dem Dach des Leibniz WissenschaftsCampus Halle "Pflanzenbasierte Bioökonomie" (WCH) gefördert wird.
Modellierung von Phytoeffektor-Wechselwirkungen mit Trockenstress-Zielstrukturen
Chemoinformatische und biochemische Methoden werden genutzt um kombiniert mit Informationen aus verschiedenen Quellen, wie Genexpressions, Proteomics oder anderen Literaturdaten, zusammengeführt, um neue Zielproteine zu ermitteln oder bereits bekannten Zielstrukturen neu zu erfassen. Für diese Proteine wird in den verschiedenen Strukturdatenbanken (in house, moe lead like structures, TimTech2006, Spreasy) nach passenden Liganden gesucht, also potentiell Phytoeffektor-Kandidaten (siehe Abbildung). Die aus dem virtuellen Screening vorgeschlagenen Wirkstoffkandidaten werden biochemisch (nach heterologer funtionaler Expression der Targetproteine) oder auch in vivo (s.u.) getestet, um so neue Phytoeffektoren zu finden. Neben Trockenstress-bezogenen Proteinen wird auch an Enzymen des bakteriellen Stickstoffkreislaufs gearbeitet, um neue Agrochemikalien zu entwickeln, die die Stickstoffversorgung der Pflanze verbessern und einen sparsameren Einsatz von Dünger ermöglichen. Die 3D-Strukturen von Enzymen des Stickstoffkreislaufs (entweder experimentell ermittelt oder als Homologiemodell berechnet) werden verwendet, um Katalysemechanismen mit quantenchemischen Methoden zu untersuchen und daraus Informationen für das Design neuer Inhibitoren abzuleiten.
Trockenstress-Modelle / Bioaktivitätsassays für das Phytoeffektor-Screening

Lemna minor, die Kleine Wasserlinse, ist unser Eingangs-Testorganismus für das Phytoeffektor-Screening. Vorkultivierte Pflanzen (a) werden in Mikrotiterplatten Trockenstreß durch wasserbindendes PEG ausgesetzt (b), und die Wachstumsgeschwindigkeit optisch mit einem phänotypischen Scan (Blattfläche, Chlorophyllgehalt) durch Bildsoftware verfolgt (c).
Um die potenzielle phytoeffektorische Wirkung unserer Substanzbibliothek (s.a. AG Daten und Ressourcen) zu untersuchen, verwenden wir zwei Trockenstressmodelle.
1. Unser Lemna minor-Testsystem (Geissler und Wessjohann, J. Plant Growth Regul. 2011) wird derzeit routinemäßig in der Abteilung eingesetzt. Im Vergleich zu den üblicherweise verwendeten Sprühassays ist dies der erste Trockenstresstest in Mikrotiterplatten, mit kleinen Volumina und voller Kontrolle der Konzentrationen und damit der verwendeten Menge der Verbindung pro Pflanze. Alle Wasserlinsen sind identisch (selbstklonierend) und die Substanzen wirken sowohl auf Wurzeln als auch Blätter, bei einfacher Ablesung der Meßwerte durch einen 2D Farbscan (Blattoberfläche und Farbe/Chlorophyllgehalt).
2. Arabidopsis thaliana ist die wichtigste Modellpflanze der Pflanzenforscher und mit Raps verwandt. 2017 wurde unser Trockenstresstestsystem auf diese Pflanze erweitert (Frolov et al. J. Plant Physiol. 2017). Dazu wurde das agarbasierte PEG-Infusionsmodell für Sämlinge (Verslues et al. 2006) für Wuchsstadien und Bedingungen anwendbar gemacht wurde, die gewöhnlich im Feld bei mäßiger vorübergehender Dürre auftreten. Wir führten eine vollständige Charakterisierung der Muster biochemischer, transkriptioneller und physiologischer Marker durch (Paudel et al., J. Exp. Bot. 2016). Die Pflanzen werden vor der Stressanwendung sechs Wochen lang in Hydrokultur bis zum Übertragung auf Agar angezogen, das dann drei Tage mit PEG8000-Lösung gesättigt wird.
Die molekularen Antworten der Pflanzen auf Trockenstress - Proteinglykierung in Pflanzen
Mit Hilfe des etablierten A. thaliana-Trockenstressmodells wurden trockenheitsbedingte Veränderungen des Pflanzenproteoms und -metaboloms untersucht (siehe: Abiotic and Biotic Stress in Plants - Recent Advances and Future Perspectives; Fitoterapia 2019). Dabei wurden potenzielle Zielproteine für eine phytoeffektor-basierte Trockenstresstoleranzinduktion (ein sehr deutsches Bandwurmwort) ausgewählt. Ferner befassen wir uns mit den potenziellen Auswirkungen von Dürre auf die Qualität von Pflanzenproteinen. So konnten wir nachweisen, dass die gleichzeitige dürrebedingte Erhöhung des Zuckergehalts und der Menge an reaktiven Sauerstoffspezies auch in Pflanzen zu vermehrter Proteinglykierung führt, die strukturell vielfältiger als z.B. bei Säugern ist (J. Biol. Chem. 2017, 292, 15758; J. Biol. Chem. 2016, 291, 7621). Im Menschen ist dieser Prozeß der abiotischen Reaktion reaktiver Zucker mit Proteinen mit vielen Krankheitsbildern verknüpft, z.B. Diabetes.
Diese Seite wurde zuletzt am 15 May 2020 31 Jan 2025 05 Feb 2025 10 Dec 2024 10 Dec 2024 19 May 2020 19 May 2020 19 May 2020 geändert.