28.08.2024
+++ Newsticker Wissenschaft #173 +++ Computerchemie +++
Hyperaktive Enzyme durch Komplexbildung mit maßgeschneiderten Polymeren.
Der Einsatz von Enzymen als Ersatz für chemische Katalysatoren gewinnt in der Synthesechemie zunehmend an Bedeutung. Dabei ist die Steigerung der Enzymaktivitäten über das Maß ihrer natürlichen Aktivitäten hinaus von besonderem Interesse. Für diese Aktivitätssteigerungen verfolgt man zurzeit verschiedene Strategien, die vom Engineering des aktiven Zentrums über die Immobilisierung des Enzyms bis hin zur Optimierung des Milieus oder der Zugabe von Zusatzsoffen reichen. Als geeignete Additive werden zurzeit verschiedene Polymere diskutiert, die mit den Oberflächen der Enzyme interagieren und deren natürliche Aktivität erheblich steigern können.
Wissenschaftler der Universität Potsdam haben nun gemeinsam mit den Computermodeling-Experten des IPB die Hyperaktivierung der Endopeptidase α-Chymotrypsin unter Zugabe von Polymeren auf Acrylsäurebasis getestet. Dabei verwendeten sie nicht nur die üblicherweise für Aktivitätssteigerungen eingesetzten Poly(acrylsäuren) (PAA), sondern auch selbst hergestellte synthetische Verbindungen, von denen sich das Poly(2-carboxyethyl)acrylat (PCEA) als besonders wirksam erwies. Aktivitätstests des α-Chymotrypsins mit N-Glycyl-L-Phenylalanin-p-Nitroanilid (GPNA) als zu spaltendes Substrat zeigten enorme Aktivitätssteigerungen der Endopeptidase von 950% bei Zugabe von PCEA und von 450%, wenn PAA als Additiv eingesetzt wurde.
Der Mechanismus dieser Hyperaktivierung ist noch nicht ganz klar, konnte aber von den IPB-Computerchemikern genauer beleuchtet werden. In einer kombinierten experimentellen und computergestützten Analyse untersuchten die Wissenschaftler die Wechselwirkungen zwischen α-Chymotrypsin und den Polymeren. So konnten sie durch isotherme Titrationskalorimetrie eine ausgeprägte Komplexbildung zwischen Polymer und Enzym aufzeigen. Noch interessanter waren die Docking-Studien, die, im Vergleich zum Enzym allein, eine deutlich gesteigerte Bindungsaffinität des Substrats an den Enzym-Polymer-Komplex offenbarten. Diese erhöhte Bindungsbereitschaft des Substrats könnte seine Ursache in der Vergrößerung des aktiven Zentrums des Enzyms haben – was durch weitere Molekulardynamiksimulationen gezeigt wurde. Die Erweiterung des Hohlraums im aktiven Zentrum erleichtert seine Zugänglichkeit für das Substrat, was zu den enormen Aktivitätssteigerungen der Enzym-Polymer-Komplexe führen könnte. Die vorliegende Studie liefert wichtige Einblicke in die molekularen Mechanismen der enzymatischen Hyperaktivität, so das Fazit der Wissenschaftler. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung weiterer synthetischer Polymere, die zur Optimierung von biokatalytischen Synthesen zum Einsatz kommen werden.