Rund 300.000 Gäste besuchten dieses Jahr die Grüne Woche, die vom 17.-26. Januar in Berlin stattgefunden hat. Arianne Schnabel gehörte zu den 1400 Ausstellern, die auf dieser, Deutschlands größter Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau, ihre Produkte, Projekte und Ideen präsentierte. Als Koordinatorin des DiP-NA-WIR-Projekts am IPB hat sie gemeinsam mit ihrer Kooperationspartnerin Natalie Vogelgsang vom Julius-Kühn-Institut ebendieses Verbundprojekt am Gemeinschaftsstand der Hochschule Anhalt vorgestellt. Neben einer selbstgebauten Duftorgel, mit der die Gäste verschiedene Gerüche erraten konnten, gab es zahlreiche Gespräche über den geplanten Anbau von Kräutern wie Rosmarin und Salbei in Sachsen-Anhalt. Denn das ist eines der Hauptthemen von NA-WIR; die Abkürzung steht für „Neue Arzneipflanzen und Wirkstoffe aus Sachsen-Anhalt.“
Das Projekt NA-WIR hat die Etablierung neuer Heilpflanzen in Sachsen-Anhalt im Fokus. Mit dem Anbau von Rosmarin, Salbei und Chinesischer Buschnessel werden trockenresistente Arten Einzug in unsere Region halten. Die resultierenden pflanzlichen Primärprodukte – wie Gewürze, Tee oder ätherische Öle – sollen bis zur Marktreife geführt werden. Darüber hinaus spielen spezifische Inhaltsstoffe mit verschiedenen Heilwirkungen eine wichtige Rolle. Diese Substanzen zählen zu der Stoffgruppe der Diterpene und werden im Projekt durch überkritische Kohlenstoffdioxid-Extraktion, eine nachhaltige nicht auf fossilen Brennstoffen basierende Extraktionsmethode, gewonnen. Anschließend werden diese Stoffe durch Enzyme in neue potentielle Wirkstoffe umgewandelt. So will man beispielsweise aus Substanzen wie Carnosinsäure oder Oridonin Derivate mit verbesserter Wirksamkeit herstellen und deren Effekte gegen Parodontitis und verschiedene Krebserkrankungen testen.
Generell können die Wirkstoffe aber auch aus den Pflanzen direkt, und oft in hohen Konzentrationen, gewonnen werden. Um Erntezeitpunkt und Ertrag der angebauten Salbei- und Rosmarinpflanzen zu optimieren, ist es erforderlich, deren aktuellen Wirkstoffgehalt einfach bestimmen zu können. Auch daran wird gearbeitet. Mit Hilfe von spektroskopischen Messungen im Feld und maschinellem Lernen will man im Rahmen von DiP-NA-WIR ein Verfahren entwickeln, das diese Prognosen künftig ermöglicht. Die dabei erfassten Daten sollen in ein Datenmanagementsystem gespeist werden, das für alle Projektpartner aus Wissenschaft und Landwirtschaft frei zugänglich ist. Alle im Projekt neu etablierten Wertschöpfungsketten werden zudem einer Nachhaltigkeits- und Markttransferanalyse unterzogen, um letztendlich Sachsen-Anhalts Landwirtschaft langfristig zu stärken.
DiP-Konsortium will Kohlefolgeregion ertüchtigen
DiP-NA-WIR ist eines von insgesamt 19 Verbundprojekten des DiP-Konsortiums – der vom BMBF geförderten Initiative „Modellregion der Bioökonomie zur Digitalisierung pflanzlicher Wertschöpfungsketten im Mitteldeutschen Revier in Sachsen-Anhalt“. Übergreifendes Ziel des DiP-Konsortiums ist die Schaffung einer Modellregion für eine digitalisierte, klimaneutrale und wettbewerbsfähige Bioökonomie in der Kohlefolgeregion im südlichen Sachsen-Anhalt. In den DiP-Verbundprojekten arbeiten mehr als 40 Partner-Institutionen aus regionalen Unternehmen, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gemeinsam an diesem Ziel. Alle DiP-Projekte wurden am 4.3.2025 zu einem Kick-Off-Meeting am IPK in Gatersleben vorgestellt. Das IPB ist im Konsortium mit sieben Projekten vertreten; fünf davon werden von unseren Wissenschaftlern koordiniert. Neben DiP-NA-WIR umfasst das die folgenden Projekte:
- DiP-BioCasNavi, koordiniert von Mehdi Davari, IPB
BioCasNavi entwickelt eine auf KI-basierte Plattform für das automatisierte Design multienzymatischer Kaskadensysteme für die nachhaltige Synthese hochwertiger, industriell nutzbarer Verbindungen aus nachwachsenden Rohstoffen.
- DiP-DiPlanD, das IPB ist Partner
DiPlanD bündelt die regionalen Expertisen in den Bereichen Pflanzenzüchtung, Bioverfahrenstechnik, Digitalmess- und -steuerungstechnik und der Wirkstoffanalyse, um den Kriechenden Weißbecher, Nierembergia repens, als neue Agrarpflanze in der Modellregion südliches Sachsen-Anhalt zu etablieren und sie als Quelle für pflanzliches Vitamin D3 und Cholesterol für die pharmazeutische und kosmetische Industrie zu nutzen.
- DiPHyperSpace, koordiniert von Katrin Franke & Ludger Wessjohann, IPB
HyperSpace entwickelt das bioökonomische Potential der Arzneipflanze Hypericum perforatum L. (Johanniskraut) auf verschiedenen Ebenen weiter. Dies umfasst die Identifizierung von neuen Genotypen, Genen, Enzymen, Wirkstoffen und Funktionen, was zur industriellen Produktion von höherwertigen Johanniskrautextrakten aber auch von speziellen Inhaltsstoffen genutzt werden kann.
- DiP-LeFOS, das IPB ist Partner
LeFOS entwickelt Fermentationsbedingungen, die eine Produktion der Zuckerverbindung Levan aus den Abfallstoffen der Zuckergewinnung aus Zuckerrüben ermöglicht. Es werden zudem Enzyme entwickelt, die eine bestmögliche Spaltung der Levane zu Fructooligosacchariden erlauben. Diese oligomeren Fructane können vielfältig angewandt werden, z.B. als Hydrokolloid, Fett- oder Zuckerersatz.
- DiP-PhosFect, koordiniert von Martin Dippe, IPB
Im Projekt „PhosFect“ sollen Reststoffe der Pflanzenöl- und Biodieselproduktion zu hochwertigen Medizinprodukten aufgewertet werden, die vor allem in der Impfstoff-Entwicklung eine Rolle spielen.
- DiP-Tres2Cera, koordiniert von Bernhard Westermann, IPB
DiP-Tres2Cera entwickelt Verfahren zur Bereitstellung von Ceramiden aus Trester, der lokal als Reststoff bei der Apfelverpressung anfällt. Ceramide sind wirtschaftlich in hohem Maße verwertbar. Sie dienen beispielsweise als Ausgangsstoffe für die Produktion von Impfstoffverstärkern.
Die Grüne Woche wird 2026 ihr hundertjähriges Jubiläum begehen. Neben der allgemeinen Produktvorstellung wird diese Messe auch im nächsten Jahr aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und nachhaltige Landnutzung eine Bühne geben. Die Projekte des DiP-Konsortiums passen allesamt hervorragend in diesen Rahmen.