Lange nichtcodierende RNAs beeinflussen Rosettengröße in Arabidopsis.
Lange nichtcodierende RNAs (lncNATs) sind zurzeit als interessantes Phänomen im Fokus der Wissenschaft, da sie auf bisher noch wenig verstandene Weise an der Regulation der Genexpression und an verschiedenen Entwicklungsprozessen beteiligt sind. IPB-Wissenschaftler/innen der ehemaligen Arbeitsgruppe Regulatorische RNAs unter Leitung von Dr. Selma Gago Zachert (zurzeit Abteilung Mikrobielle Biotechnologie der MLU) haben jüngst zwei dieser lncNAT-Moleküle aus Arabidopsis identifiziert und ihre Funktionsweise beleuchtet. Beide RNAs überlappen als antisense-Sequenzen fast vollständig mit dem UGT73C6-Gen, das für eine Uridindiphosphat-(UDP)-Glycosyltransferase (UGT) codiert. Die Expression der antisense-Sequenzen (NATsUGT73C6) ist entwicklungsgesteuert und erfolgt unabhängig von der Transkription des UGT73C6-Gens. Durch den Einsatz von künstlichen microRNAs konnten die Hallenser Wissenschaftler die NATsUGT73C6-Level herunterregulieren, was bei den Pflanzen zu phänotypischen Veränderungen wie einer verkleinerten Rosette führte. Eine Überexpression der antisenseRNA bewirkte das Gegenteil, die Ausbildung von größeren Rosetten als die entsprechenden Wildtyppflanzen.
Pflanzliche UDP-Glycosyltransferasen übertragen UDP-aktivierte Zuckerreste auf eine Vielzahl von Aglykon-Substrate, wie Hormone, Sekundärmetabolite und Xenobiotika. Die Glykosylierung führt bei den Substraten zu Veränderungen ihrer Aktivität und Löslichkeit. UGT73C6 beispielsweise glykosyliert Brassinosteroide, was die Inaktivierung der Hormone zur Folge hat. Eine Überexpression von UGT73C6 in A. thaliana resultiert in Brassinosteroid-Mangelphänotypen mit kohlartiger Morphologie, dunkelgrünen Blättern und kurzen Blattstielen. Eine verminderte Expression der entsprechend hemmenden antisenseRNA NATsUGT73C6, könnte demnach zu einer Ausbremsung von Brassinosteroiden führen, was sich in einem ähnlichen kleinrosettigen Phänotyp niederschlägt. Die Unterschiede in der Rossettengröße der Mutanten beruht auf Veränderungen der Zellzahl, wie die Hallenser Pflanzenforscher nachwiesen. Änderungen der Transkriptlevel von NATsUGT73C6 beeinflussen demnach die Teilungsaktivität der Blattzellen. Dies wurde durch veränderte Expressionsmuster wichtiger Transkriptionsfaktoren gezeigt.
Lange nichtcodierende RNAs sind Transkripte ohne proteincodierende Information. Sie bestehen aus mehr als 200 Nukleotiden und befinden sich oft zwischen den Genen von Multigenfamilien mit deren codierenden Sequenzen sie häufig überlappen. Viele lncRNAs haben sich in den letzten Jahren als wichtige Regulatoren verschiedener biologischer Prozesse erwiesen. In Arabidopsis sind sie beispielsweise in Regelkreise der Keimung, der Blütenentwicklung und der Kälteakklimatisierung involviert. Die Wirkungsweise der nichtcodierenden RNA ist vielfältig; sie beruht bei Pflanzen sowohl auf Translationshemmung durch die Bildung von doppelsträngiger RNA aus Sense-Antisense-RNA-Hybriden, als auch auf weiteren Mechanismen wie Transkriptionskollision, Beeinflussung der mRNA-Stabilität und Modulation des Spleißens.