Apotheke im Wald: Neue Mittel gegen Wurmerkrankungen aus Pilzen isoliert.
Mehr als 1,7 Milliarden Menschen weltweit sind von Infektionen mit Spul-, Peitschen- und Hakenwürmern betroffen. Bekämpft werden diese Vernachlässigten Tropenkrankheiten durch die breite Verabreichung von anthelminthischen Arzneimitteln unabhängig vom Infektionsstatus der behandelten Personen. Diese Massenmedikation und die Tatsache, dass zurzeit nur einige wenige Wirkstoffe im Einsatz sind, führen zu einer zunehmenden Resistenz der Parasiten gegen die Antiwurmmittel. Zur wirksamen Bekämpfung von Wurmerkrankungen sind daher neue therapeutische Ansätze notwendig.
IPB-Chemiker haben gemeinsam mit Schweizer und MLU-Wissenschaftlern neue anthelminthische Wirkstoffe aus Pilzen isoliert. Dafür untersuchten sie elf verschiedene Pilzarten, die natürlicherweise nicht von Insektenlarven angefressen werden, was zur Vermutung führte, dass diese Arten entsprechende Wirkstoffe gegen Maden bilden, die im besten Fall auch gegen Würmer aktiv sind. Eine der ausgewählten Arten, der Semmel-Porling (Albatrellus confluens), erwies sich als Treffer. Aus seinem Fruchtkörper konnten die Hallenser Wissenschaftler die vielversprechenden Verbindungen Grifolin und Neogrifolin isolieren. Beide Substanzen erwiesen sich im Bioassay als stark wirksam gegen den Fadenwurm Caenorhabditis elegans.
Da anthelminthische Wirkstoffe keine hohen wirtschaftlichen Erträge abwerfen, ist die Entwicklung von kostengünstigen Synthesen unerlässlich für die Markteinführung dieser Substanzen. Auch das haben die Hallenser Wissenschaftler getan und verschiedene Analoga der Verbindungen hergestellt, die sie im Anschluss nicht nur auf ihre Wirksamkeit gegen C. elegans prüften, sondern auch gegen fünf verschiedene Wurmparasiten von Mensch und Tier. Zwei der getesteten Verbindungen wiesen eine hohe Aktivität gegen den aktivierten Laborstamm von Schistosoma mansoni, den Erreger der Bilharziose auf. Ein Wirkstoff zeigte zudem antiproliferative Aktivität gegen menschliche Prostata- und Kolorektalkrebszelllinien.
Pilze erweisen sich zunehmend als vielversprechende Quelle neuer Wirkstoffe gegen verschiedene Krankheiten. Ihre Tauglichkeit zur Bereitstellung neuer Leitstrukturen für Anthelminthika ist jedoch noch weitgehend unerforscht. Etwa die Hälfte ihrer Biomasse im Boden wird von Fadenwürmern verzehrt. Sie verfügen daher über entsprechende Schutz- und Abwehrstoffe. Jüngste Untersuchungen zeigten vor allem bei Speisepilzen verschiedene anthelminthische Wirkungen. Grifolin und Neogrifolin sind für ihre vielfältigen antioxidativen, antimikrobiellen und antiproliferativen Aktivitäten bekannt. Nun konnte gezeigt werden, dass sie auch zur Bekämpfung von Wurmerkrankungen taugen.