Auch im Moos viel los – Ecometabolomics zeigt Umwelteinflüsse auf.
Wissenschaftler/innen des IPB, des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Brunswick in Kanada analysierten kürzlich, welche Substanzen Moose unter verschiedenen Umweltbedingungen produzieren. Dieser Ecometabolomics-Ansatz sollte helfen, die noch wenig untersuchten chemischen Reaktionen dieser Organismen besser zu verstehen. Denn auch Moose können - wie alle Pflanzen - trotz ihres einfachen Aufbaus als Reaktion auf sich ändernde Umweltbedingungen spezialisierte Stoffwechselprodukte hervorbringen.
Als Forschungsobjekt wählten die Wissenschaftler/innen das Gewöhnliche Kratzmoos, Radula complanata – ein Lebermoos, das vorwiegend auf Baumrinden wächst. R. complanata ist in der gesamten nördlichen Hemisphäre weit verbreitet und bietet sich daher für vergleichende Studien zwischen verschiedenen Standorten an. Die Forscher/innen sammelten Moosproben in Deutschland, Kanada und Schweden, die sie mittels hochauflösender Massenspektrometrie (MS) analysierten. Anschließend werteten sie die umfangreichen Metabolitendaten aus diesem Metabolomics-Experiment mit statistischen Methoden aus, um Zusammenhänge und Muster zu erkennen.
So trat zutage, dass die meiste Variation (etwa 39%) in der Metabolitenzusammensetzung auf die Wirtsbaumart zurückführen ist und ein weiterer großer Teil (etwa 25%) auf Umweltgegebenheiten. Diese Variationen untersuchten die Forscher dann näher, um sie mit spezifischen MS-Signalen und damit mit Substanzklassen in Verbindung bringen zu können. Dabei konnten sie 55 Substanzen identifizieren, die signifikant je nach Baumart variierten. Veränderungen in 23 Verbindungen hingegen waren charakteristisch für die verschiedenen Standorte. Hier verschoben sich die Metabolitenprofile vor allem hinsichtlich der Aminosäuren- und Peptid-Zusammensetzung, also in den Verbindungen des primären Stoffwechsels, die die Basis für Wachstum und Entwicklung des Organismus sind. Diese Schwankungen begründeten die Wissenschaftler mit Trockenstressreaktionen des Mooses, mit denen es sich an die unterschiedliche Feuchtigkeit der Umgebung anpasst. Aber auch bei spezialisierten Stoffwechselprodukten wie Flavonoiden und phenolischen Verbindungen wurden Profilverschiebungen beobachtet. Diese korrelierten stark mit der Wirtsbaumart – ein Anzeichen dafür, dass beide Organismen in hohem Maße interagieren.
R. complanata ist also in der Lage flexibel auf ökologische Bedingungen zu reagieren und entsprechend die Produktion zahlreicher chemischer Verbindungen anzupassen, schlussfolgern die Forscher/innen. In Zukunft könnte man möglicherweise diese Art der Untersuchung an Moosen auch für Rückschlüsse auf die Habitatgesundheit heranziehen.
Originalpublikation:
Blatt-Janmaat, K.L.; Neumann, S.; Ziegler, J.; Peters, K. Host Tree and Geography Induce Metabolic Shifts in the Epiphytic Liverwort Radula complanata. Plants 2023, 12, 571. https://doi.org/10.3390/plants12030571