Biokatalyse mit Terpenzyklasen: Neue Duftstoffe aus nichtnatürlichen Verbindungen.
IPB-Chemikerinnen und -Chemiker haben jüngst zwei Terpenzyklasen als biokatalytisches Werkzeug verwendet, um deren Tauglichkeit zur Umwandlung von nichtnatürlichen Verbindungen zu untersuchen. Die untersuchten Enzyme, die Limonensynthase aus der Cannabispflanze und die 5-Epi-Aristolochensynthase aus Tabak, zeigten dabei eine erstaunliche Flexibilität für die elf synthetischen Prenyldiphosphate, die ihnen als Substrate angeboten wurden. Es entstanden zahlreiche Verbindungen, darunter fünf neuartige, ebenfalls natürlicherweise nicht vorkommende Terpenoide mit zum Teil außergewöhnlichen Struktureigenschaften wie Heteroatomen und Alkin-Seitenketten. Dabei ging es den Hallenser Wissenschaftlern nicht nur um die neuen Verbindungen, deren Strukturen sie allesamt aufklären konnten, sondern auch darum, den komplexen, bisher wenig verstandenen Reaktionsmechanismus der eingesetzten Terpenzyklasen näher zu beleuchten.
Wie für Terpenzyklasen typisch, erzeugten beide Enzyme mehrere komplizierte, meist enantioselektive, multizyklische Strukturen aus den durchweg linearen, nicht chiralen Prenyldiphosphaten. Die Umwandlung der einfach strukturierten Ausgangsstoffe erfolgte durch mehrfache Faltungen und weitere komplexe Reaktionsmechanismen. Mit computergestützter Modellierung legten die Hallenser Wissenschaftler drei kritische chemische Kontrollfaktoren fest, mit denen eine Vorhersage der katalytischen Promiskuität der Enzyme möglich war und umsetzbare von nicht umsetzbaren Substraten unterschieden werden konnten. Im Ergebnis entwickelten sie zunächst für die Limonensynthase einen ersten Vorschlag zu einem detaillierten dreistufigen Reaktionsmechanismus.
Die enzymatische Umwandlung künstlicher Substrate ist eine vielversprechende Möglichkeit, das Potenzial von biokatalytischen Synthesen auszuschöpfen, meinen die IPB-Chemiker. Gerade bei den Terpenzyklasen und –synthasen gibt es auf diesem Gebiet noch viel Forschungs- und Verständnisbedarf. Nicht zuletzt sind die Produkte, die entstehen, interessante neuartige Terpenoide, die künftig als biologische Sonden oder auch als Duftstoffe eingesetzt werden können.
Terpenoide stellen mit mehr als 80.000 Verbindungen eine der größten Klassen von Sekundärmetaboliten dar. Viele von ihnen sind für ihre Erzeuger und für den Menschen als Nutznießer von großer Bedeutung. Sie wirken unter anderem als Lockstoffe, Toxine, Repellentien oder Antibiotika. Flüchtige Mono- und Sesquiterpene sind die Hauptbestandteile von Blumendüften und natürlichen Aromen. Daher haben diese Terpene einen bedeutenden kommerziellen Wert als Lebensmittelzusatzstoffe und in der kosmetischen und Duftstoff-Industrie.
Originalpublikation:
 Benjamin Weigel, Jeanette Ludwig, Roman A Weber, Steve Ludwig, Claudia Lennicke, Paul Schrank, Mehdi D Davari, Mohamed Nagia & Ludger A Wessjohann. Heterocyclic and Alkyne Terpenoids by Terpene Synthase-Mediated Biotransformation of Non-Natural Prenyl Diphosphates: Access to New Fragrances and Probes. Chembiochem  2022, doi: 10.1002/cbic.202200211 

