+++ Newsticker Wissenschaft #170 +++ CRISPR +++

Modell der CRISPR/Cas-Exonuklease-Fusion. Grafik: Tom Schreiber, IPB

Neue CRISPR-Methode erlaubt stabiles Knock-In von großen Genen.

Großer Fortschritt an der CRISPR-Front. IPB-Wissenschaftlern und Partnern aus Frankreich ist es mit Hilfe von CRISPR/Cas gelungen, größere DNA-Abschnitte von mehreren Kilobasen stabil, narbenfrei und sehr effizient ins Genom höherer Pflanzen zu integrieren. Bisher konnte man durch CRISPR nur beim Erzeugen von Deletionen und Punktmutationen gute Ergebnisse erzielen, was in der Regel mit dem Funktionsverlust, also dem Knock-Out des Zielgens einhergeht. Ein effizientes Knock-In von (fremden) Genen ins Genom von Pflanzen und Säugetieren scheiterte meist an der organismeninternen Reparatur von Doppelstrangbrüchen, die vorwiegend auf einem unpräzisen und Fehler erzeugendem nicht-homologen Verknüpfen (Non-homologous end-joining, NHEJ) der zerschnittenen DNA-Stränge beruht. Die Homologie-getriebene Reparatur (HDR) von DNA-Doppelstrangbrüchen hingegen erlaubt eine präzise und narbenfreie Integration oder den Ersatz von großen DNA-Fragmenten. Da die HDR aber, im Gegensatz zur NHEJ, 3‘-überhängende Enden benötigt und Cas9 vorwiegend stumpfe Enden produziert, wird die Reparatur von Cas-vermittelten Doppelstrangbrüchen eher von der nicht-homologen Reparaturmaschinerie übernommen. Eine fehlerfreie Insertion größerer Genabschnitte gelang deshalb bisher nur bei wenigen Transformationsereignissen.

Eine Erhöhung der HDR-Effizienz bei CRISPR-Knock-In-Ansätzen kann das Dilemma beheben und wird auch seit längerem angestrebt, bisher jedoch nur mäßig erfolgreich. Mit ihrer Studie könnte den Hallenser Wissenschaftlern nun ein Durchbruch in dieser Frage gelungen sein. Laut ihrer Hypothese müssen die Cas-erzeugten stumpfen Doppelstrangbrüche mit überhängenden 3‘-Enden versehen werden, um die Anzahl der der Homologie-getriebenen Reparatur-Ereignisse zu erhöhen. Das kann geschehen, indem man die CRISPR-Endonukleasen mit 5‘-Exonukleasen fusioniert, die dann direkt am Schnitt-Ort agieren und die stumpfen DNA-Brüche in klebrige 3´-Enden umwandeln. Für diesen Versuchsaufbau kombinierten die Wissenschaftler Cas9- und Cas12a-Endonukleasen mit jeweils verschiedenen 5-Exonukleasen viralen, pflanzlichen, bakteriellen und menschlichen Ursprungs. Analysiert wurden diese Exo-Endonuklease-Fusionskonstrukte - und zum Vergleich auch nur die herkömmlichen CRISPR-Endonukleasen - in einem auf dem Tabakmosaikvirus basierenden transienten Reporter-Assay in Nicotiana benthamiana.

Ergebnis: Mit diesem Ansatz konnten die CRISPR-Experten zwei Exonukleasen aus der Familie der Herpesviren und der T7-Bakteriophagen identifizieren, mit denen (in Fusion mit Cas9) eine bis zu 38-fache Erhöhung der HDR-Häufigkeit und damit narbenfreie Insertion eines großen Genabschnittes gelang. Auch in Arabidopsis führte die Fusion von Cas9 mit einer Exonuklease der Herpesviren zu einer 10-fach erhöhten Häufigkeit von stabil transformierten und demnach vererbbaren Knock-Ins in der ersten Generation der Transformanten. In Weizenpflanzen konnten die Wissenschaftler auf diese Weise, ebenfalls in der ersten Generation, bei über einem Prozent der Transformanten dauerhafte Knock-Ins erzeugen, die sich stabil auf die kommenden Generationen vererben. 

Wie funktioniert der Reporter-Assay? Der von den Hallensern entwickelte Reporter-Assay, basiert auf einer transgenen N. benthamiana-Linie, die einen modifizierten Tabakmosaikvirus (TMV)-Vektor enthält, bei dem das Gen für die RNA-abhängige RNA-Polymerase (RdRP) durch eine Deletion von 3,8 kb unterbrochen ist. Ohne intakte RdPR ist sowohl die Replikation der Virus-RNA, als auch die Bildung des gesamten RNA-Konstrukts mit downstream gelegenen Genen für ein virales Hüll- und ein Bewegungsprotein nicht möglich. Das Hüllprotein wurde von den Hallenser Wissenschaftlern durch ein grün fluoreszierendes Protein (GFP) ersetzt, wodurch der TMV nicht mehr infektiös ist, die virale Replikation jedoch durch GFP-Fluoreszenz analysiert werden kann. Die deletierten 3,8 kb-Sequenzen im RdPR-Gen wurden durch eine Erkennungssequenz für die Cas-Endokluasen ersetzt.

Der TMV-Reporter in der transgenen Linie wird konstitutiv vom Arabidopsis-Actin2-Promotor exprimiert, führt aber nur zu einer verkürzten, nicht funktionstüchtigen RNA-Polymerase. Die Replikation der viralen DNA und auch die GFP-Expression erfolgen also entsprechend nur dann, wenn die defekte RdRP-kodierende Sequenz mittels HDR unter Verwendung der fehlenden DNA-Sequenz präzise repariert wird. Dieser 3,8 kb große Reparaturabschnitt mit den fehlenden RdRP-Sequenzen wurde von den Hallenser Wissenschaftlern erzeugt und mit zusätzlichen Homologiearmen versehen, die mit der verbleibenden viralen RdRP-Sequenz identisch sind und eine Voraussetzung für die homologiegerichtete Reparatur darstellen.

Nach Transformation des Reparaturkonstrukts in die Zellen und seine Integration am Ort des geplanten Einbaus, konnte die Rekonstitution der viralen RNA-Polymerase direkt an der GFP-Expression gemessen werden. Dabei trug das ebenso exprimierte virale Bewegungsprotein dazu bei, dass sich der Vektor lokal ausbreitete, sodass bereits wenige Tage nach Inokulation die einzelnen Reparaturereignisse als makroskopisch sichtbare GFP-Spots leicht gezählt werden konnten. Die induzierten HDR-Häufigkeiten der jeweils eingesetzten Exonukleasen konnten somit quantifiziert und miteinander verglichen werden. Die präzise Reparatur des TMV-RdRP-Gens wurde zudem durch PCR und Sequenzierung der genomischen DNA aus infiltrierten Blattscheiben bestätigt.

Beim Erzeugen von freien 3‘-Enden spielt offenbar auch die Schnelligkeit der eingesetzten Exonukleasen eine Rolle, denn in vivo konkurrieren diese Enzyme mit den endogenen Reparaturfaktoren der nicht-homologen Reparatur um freie DNA-Enden. Die Prozessierungszeit und Aktivität der Exonukleasen kann durch verschiedene Faktoren wie die räumliche Position zur fusionierten Endonuklease oder auch die Affinität der Exonuklease zu DNA-Doppelstrangbrüchen optimiert werden. Demnach sind monomere 5‘-Exonukleasen mit hoher Affinität zu stumpfen Enden am besten geeignet, um - im Duett mit den entsprechenden Endonukleasen - die HDR-Rate beim Knock-In von größeren DNA-Abschnitten zu verbessern.

Fazit: Die von den Hallenser Wissenschaftlern entwickelten Cas-Exo-Fusionsproteine entpuppen sich als vielversprechende Werkzeuge für das Gen-Targeting bei höheren Pflanzen und möglicherweise auch bei anderen Organismen. Vor allem bei der Erzeugung von stabilen, also vererbbaren Merkmalen kann die Cas-Exo-Fusion erhebliche Züchtungszeit einsparen. So erreichten die Wissenschaftler bei der stabilen Cas9-Exo-vermittelten Transformation von Weizen fehlerfreie Reparaturraten von 1,1% in der T0-Generation. Ein Screening von 50-100 Transformanten sollte demnach ausreichen, um einzelne Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften zu isolieren. Künftig könnten mit dieser Methode beispielsweise vorteilhafte Allele von verwandten Wildarten, direkt am homologen Locus in Elitesorten oder Zuchtlinien eingefügt werden. Für die Wissenschaft bietet dieser Ansatz grandiose Möglichkeiten, bestimmte pflanzeneigene Gene einfach durch modifizierte Kopien ihrer selbst auszutauschen. Bisher konnte das nur erreicht werden, indem das gewünschte Gen zunächst ausgeknockt und der Bereich mit dem modifizierten Gen wieder komplementiert wurde. Diese rabiate Vorgehensweise wäre bei lebenswichtigen Genen lethal für die Pflanze und ist daher für viele Gene nicht anwendbar. Mit CRISPR-Cas-Exo hingegen können interessante Gene elegant in einem Schritt modifiziert werden, um ihre Funktion zu studieren.

Originalpublikation:
Tom Schreiber, Anja Prange, Petra Schäfer, Thomas Iwen, Ramona Grützner, Sylvestre Marillonnet, Aurélie Lepage, Maire Javelle, Wyatt Paul & Alain Tissier. Efficient scar-free knock-ins of several kilobases in plants by engineered CRISPR/Cas endonucleases. Mol Plant 2024 doi: 10.1016/j.molp.2024.03.013.