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Raus aus der Pflanze – rein in die Hefe! Moderne Produktion von Diterpenen durch Biotechnologie.

IPB-Wissenschaftler/innen haben jüngst durch kombinatorische Biosynthese eine beachtliche Substanzbibliothek an Diterpenoiden erzeugt. Dafür kombinierten sie Golden-Gate-basiert die katalytischen Aktivitäten von zehn verschiedenen Diterpensynthasen mit vier Cytochrom-P450-Oxygenasen aus verschiedenen Pflanzenarten. Die Expression aller möglichen Kombinationen in einzelnen Hefestämmen führte zur Produktion von über 200 Diterpenoiden, von denen 36 Verbindungen schon bekannt waren und 13 strukturell vollständig aufgeklärt wurden.

Ganz generell beginnt die Biosynthese von Diterpenen beim allgemeinen Vorläufermolekül Geranylgeranyldiphosphat (GGPP), was durch die Aktivität der Diterpensynthasen (diTPS) in die verschiedenen Diterpen-Gerüste umgewandelt wird. Diese Diterpen-Gerüste, bestehend aus linearen, makro- oder polyzyklischen Strukturen, werden dann von Cytochrom-P450-Oxygenasen (CYPs) modifiziert, die in die Verbindungen Sauerstoffgruppen einführen und Umlagerungen des Rückgrats auslösen, wodurch die strukturelle Vielfalt der Diterpenoide noch einmal erheblich gesteigert wird. Viele der an diesem Szenario beteiligten CYPs sind promiskuitiv und akzeptieren nicht nur ihr natürliches Substrat, sondern auch strukturell verwandte Verbindungen.  

Die in der Hallenser Studie eingesetzten Diterpensynthasen lieferten demnach verschiedene Grundgerüste, die sich in diesem Fall vom (+)-Copalyl-Diphosphat ableiten, während die CYP-Varianten für Oxidationen und Umbau dieser Grundgerüste sorgten. Zu 162 der 200 in Hefe erzeugten Substanzen konnten die Hallenser Wissenschaftler nach umfangreichen Literatur- und Datenbankrecherchen kein natürliches Pendant finden, sodass diese Diterpene als neuartige Verbindungen betrachtet werden. Diese stoffliche Vielfalt und der hohe Anteil an noch unbekannten Substanzen basiert vor allem auf der Verwendung der verschiedenen CYPs aus weit entfernten Pflanzenarten. So kamen für die Oxidation der Diterpen-Grungerüste zwei CYPs aus zweikeimblättrigen Pflanzen (Rosmarin und Apfelsalbei), eine aus Reis, der zu den Einkeimblättrigen zählt, sowie eine CYP aus der nacktsamigen Sitka-Fichte zum Einsatz.

Da diese Art der Substanzgenerierung ab initio erfolgte und demnach von keinerlei Verfügbarkeit eines bestimmten Ausgangsstoffes abhängig war, konnten die Hallenser Wissenschaftler gute Ausbeuten für viele Diterpenprodukte erzielen. Dennoch: Eine Steigerung der Produktionseffizienz kann durch weiteres Engineering erzielt werden – und das ist auch geplant für weiterführende Experimente. Insgesamt, so das Fazit der Experten, macht die Promiskuität der beteiligten Enzyme die kombinatorische Biosynthese zu einem vielversprechenden Ansatz für die Erzeugung von vielfältigen Substanzbibliotheken. Der Einsatz von weiteren CYPs, auch aus nichtpflanzlichen Organismen, oder die Oxidierung von anderen Diterpen-Gerüsten, als den hier genutzten (+)-CPP-abgeleiteten Verbindungen, eröffnen vielversprechende Möglichkeiten das Produktspektrum noch mehr zu erweitern. Die erzeugten Diterpenoid-Bibliotheken können dann auf biologische Aktivitäten, wie antivirale oder krebshemmende Eigenschaften durchforstet werden. Die zunehmend verfügbaren Transkriptom- und Genomsequenzen von Pflanzen, Pilzen und Bakterien bilden die Grundlage für künftige kombinatorische Diterpenoid-Biosynthesen im Labor, ohne dass die Ursprungsorganismen gezüchtet oder kultiviert werden müssen.

Zu den Terpenoiden, die die größte Klasse an Naturstoffen bilden, gehören viele medizinisch wirksame Substanzen, wie der Krebswirkstoff Taxol® und das Malariamittel Artemisinin. Diterpenoide sind aus vier Isopreneinheiten bestehende C20-Verbindungen, die in Pflanzen, Insekten, Pilzen und Bakterien vorkommen. Insgesamt sind schätzungsweise mehr als 18.000 Diterpenstrukturen bekannt, die sich von mindestens 126 verschiedenen Rückgrat-Strukturen ableiten. Trotz dieser enormen chemischen Vielfalt wird das Potenzial der Diterpene nicht voll ausgeschöpft, da sie in vivo oft nur in geringen Konzentrationen vorkommen und die produzierenden Organismen oft schwer zugänglich oder kultivierbar sind. Aufgrund ihrer komplexen Strukturen, gestaltet sich auch die chemische Diterpen-Synthese herausfordernd und scheitert oft an zu geringen Ausbeuten. Die Aufklärung der Biosynthesewege dieser Verbindungen sind daher eine gute Alternative, bestimmte Diterpene durch Metabolic Engineering in geeigneten Organismen herzustellen.

Originalpublikation:
Maximilian Frey, Ulschan Bathe, Luca Meink, Gerd U Balcke, Jürgen Schmidt, Andrej Frolov, Alena Soboleva, Ahmed Hassanin, Mehdi D Davari, Oliver Frank, Verena Schlagbauer, Corinna Dawid & Alain Tissier. Combinatorial biosynthesis in yeast leads to over 200 diterpenoids. Metab Eng 2024  doi: 10.1016/j.ymben.2024.02.006.