Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter der Unabhängigen Nachwuchsforschergruppe um Jun.-Prof. Martin Weissenborn haben zusammen mit Kollegen der RWTH Aachen und der Universität von New South Wales (Australien) einen neue chemische Synthese für Tryptamin-Vorstufen mit Hilfe eines neuen Katalysators entwickelt. Die Publikation erschien kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie.
Tryptamine werden von Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroorganismen produziert. Zum Beispiel sind die Aminosäure Tryptophan und das Schlafhormon Melatonin Abkömmlinge des Tryptamins. Die chemische Grundstruktur dieser Verbindungen besteht aus einem Indol-Ring mit einer angehängten Ethylamingruppe (s. Abbildung). Auch viele Medikamente basieren auf dieser Grundstruktur. Die Herausforderung Tryptamine chemisch oder biokatalytisch - das heißt, mit Hilfe von Enzymen - darzustellen, besteht darin, an eine nicht reaktionsfreudige Kohlenstoff (C)-Wasserstoff (H)-Bindung positionsgenau weitere Atome anzuknüpfen. Man spricht auch von der „Funktionalisierung der C-H-Bindung“, da nützliche Molekülteile mit Fähigkeit zur Weiterreaktion angehängt werden.
Um Tryptamine als Ausgangsstoffe zur Medikamentenherstellung zu gewinnen, war bisher eine vierstufige chemische Synthese erforderlich. Diese lieferte jedoch nur geringe Ausbeuten (41%) an erwünschtem Produkt. Den Aachener Chemikern* gelang es nun, auf einfacherem Wege in einem nur zweistufigen Prozess mit viel größerer Ausbeute (90%) zu den Tryptamin-Vorstufen zu gelangen. Dazu ließen sie das hochexplosive Diazoacetonitril mit Indolen reagieren. Die Verwendung eines Durchfluss-Mikroreaktors erlaubte die Bändigung des gefährlichen Ausgangsstoffes. Dafür wurde Diazoacetonitril in geringen Mengen aus Vorstufen erzeugt und sofort in die anschließende Reaktion mit den Indolen geleitet, wo es wieder verbraucht wurde. Eine weitere bahnbrechende Neuerung, die die Forscher bei der Synthese einsetzten, war ein Eisen-Porphyrin-Komplex als Katalysator. Anstelle der üblichen, sehr kostenaufwändigen Edelmetall-Katalysatoren erwies sich dieser weitaus günstigere Reaktionsbeschleuniger mit dem unedlen und häufig vorkommenden Metall Eisen als ausgesprochen effizient.
Das IPB-Team um Jun.-Prof. Weissenborn testete anschließend eine biokatalytische Variante der Reaktion. Mittels eines bakteriellen Enzyms, das einen ähnlichen Eisen-Porphyrin-Komplex als natürlichen Kofaktor enthält, konnten sie ebenfalls die Umsetzung der Ausgangsstoffe zu den gewünschten Tryptamin-Vorstufen erreichen. Zudem führten sie Mutationen im aktiven Zentrum des Enzyms ein, womit die Umsatzrate zusätzlich gesteigert wurde. So bewiesen sie die biokatalytische Machbarkeit der neuen Synthese und realisierten eine enzymatische C-H-Funktionalisierung.
Die australischen Kooperationspartner trugen schließlich zur Aufklärung des Reaktionsmechanismus bei. Ihre Ergebnisse deuteten darauf hin, dass Zwischenprodukte mit ungepaarten, reaktionsfreudigen Elektronen, sogenannten Radikalen, die Reaktion antreiben.
Die Autoren der Studie sind zuversichtlich, dass die neue Synthesemethode weitreichende Anwendungen in synthetischer und medizinischer Chemie bis hin zur Agrochemie finden wird.
*Anmerkung:
Dieser Artikel wurde am 25.07.2019 bearbeitet. Die Formulierung "Den Chemikern gelang es..."wurde um "Aachener" ergänzt, um die Beiträge der einzelnen Kooperationspartner deutlich hervorzuheben. Für die vorherige irreführende Formulierung bitten wir um Entschuldigung.
Originalpublikation:
K. J. Hock, A. Knorrscheidt, R. Hommelsheim, J. Ho, M. J. Weissenborn, R. M. Koenigs
Tryptamine Synthesis by Iron Porphyrin Catalyzed C−H Functionalization of Indoles with Diazoacetonitrile
Angew. Chem. Int. Ed. 2019, 58, 3630.
https://doi.org/10.1002/anie.201813631

