+++Newsticker Wissenschaft #166 +++ Protein-Engineering +++

Verbessertes LOV-Protein-Engineering durch Machine Learning.

LOV-Photorezeptoren steuern in höheren Pflanzen lichtabhängige Prozesse wie zum Beispiel Phototropismus, kommen aber auch in Algen, Pilzen und Bakterien vor. Sie können Licht unterhalb einer Wellenlänge von 470 nm wahrnehmen und werden daher auch als Blaulichtsensoren bezeichnet. LOV steht dabei für die Light-Oxygen-Voltage-Sensing-Domäne dieser Proteinklasse. Als Cofaktor besitzt die LOV-Domäne ein nicht-kovalent gebundenes Flavinmolekül als Chromophor. Modifizierte Varianten der LOV-Proteine werden als Reporterproteine, optogenetische Schalter und Lichtsensoren für Experimente in biologischen Systemen eingesetzt. Ein interdisziplinäres Team mit Wissenschaftlern aus ganz Deutschland und dem IPB haben jüngst diese Photorezeptoren mithilfe von Machine Learning weiter optimiert. Ihre Ergebnisse stellten sie kürzlich in JACS Au vor.

Der Photozyklus der LOV-Proteine beginnt damit, dass UV-A- oder Blaulicht vom oxidierten Flavin absorbiert wird, was zu chemischen Umlagerungen und Konformationsänderungen im Protein führt. Je nach Art des LOV-Rezeptors werden dadurch stromabwärts verschiedene physiologische Reaktionen ausgelöst. Im Dunkeln nimmt das das Protein wieder seinen inaktiven Grundzustand ein. Diese Rückreaktion dauert mehrere Sekunden, bei manchen LOVs sogar Tage, und man vermutet, dass sie sich aus komplexen Teilschritten zusammensetzt. Genau dieser Wechsel zum Dunkelzustand mit seiner enormen Bandbreite an Reaktionszeiten ist für die Wissenschaftler besonders interessant, vor allem in der Hinsicht, künftig Sensoren mit gewünschter Photozyklusdauer herstellen zu können. Solchen Designer-Photorezeptoren könnten optimierte Photosyntheseprozesse und damit eine erhöhte Produktion pflanzlicher Biomasse, ermöglichen.

Da die Rückreaktion von vielen Faktoren abhängig ist, konnte bisher kein schlüssiges mechanistisches Modell davon erstellt werden. In der Vergangenheit wurden lediglich einzelne dieser Einflussfaktoren im Detail untersucht und Mutationsstudien an verschiedenen kritischen Resten rund um den Chromophor durchgeführt. Die gleichzeitige Betrachtung multipler Mutationen stellt jedoch eine kombinatorische Herausforderung dar. Zudem sind die typischen Modellierungen auf molekularer Ebene schlicht nicht machbar, da der Wechsel zum Dunkelzustand selbst mit wenigen Sekunden Dauer noch ein relativ langsamer Prozess ist und enormer Rechenzeit bedarf. Daher griff das Forscherteam auf Machine-Learning(ML)-Methoden zurück, die ideal dazu geeignet sind, aufgrund von bereits existierenden Daten aus Mutationsstudien und ohne die klassische physikbasierte Modellierung Effekte für die Proteinfunktion vorhersagen können.

Drei Runden von Vorhersagen und Validierungen führte das Forscherteam an der Phototropin 1 LOV2-Domäne von Avena sativa (AsLOV2), einer der am besten erforschten LOV-Domänen, durch. Ihr ML-Modell trainierten sie mit geeigneten Datensätzen aus Mutationsstudien an AsLOV2, um damit anschließend Einzel-, Doppel- und Tripelmutanten der AsLOV2 mit bestimmten Rückbildungsraten vorhersagen zu können. Dabei ließen sie die Ergebnisse aus der experimentellen Validierung der vorhergesagten Varianten jeweils in die nachfolgende Runde von Vorhersagen einfließen. In der vorliegenden Studie erörtern die Autoren im Detail die vorhergesagten und getesteten Substitutionen, ihre strukturbiologischen Implikationen und ihre Effekte auf die Rückreaktion zum Dunkelzustand des Photorezeptors. Im Ergebnis konnten die Wissenschaftler mehrere LOV-Domänen-Varianten vorhersagen und generieren, deren Wechsel zum Dunkelzustand von 0.4 bis ca. 105 Sekunden andauerte. Diese Varianten stellen das bisher breiteste Spektrum der Photozyklusdauer, sprich die am schnellsten und am langsamsten revertierende AsLOV2-Domäne, dar. In experimentellen Untersuchungen erwiesen sich diese überdies als stabil.

Gleichzeitig diskutieren die Forscher aber auch die Einschränkungen ihres ML-Ansatzes. Da nur eine begrenzte Zahl Mutationsdaten dem Modell zugrunde lagen, entsteht eine gewisse Verzerrung in den Vorhersagen. Ein umfassenderer Sättigungsmutagenese-Scan könnte in Zukunft ausgewogenere Trainingsdaten für ein ML-Modell liefern. Das Potential der ML-gestützten Herangehensweise zur Evolution von Proteineigenschaften, die sich dem rationellen Design entziehen, ist jedoch sehr vielversprechend, so die Autoren.

 

Originalpublikation:
Hemmer S, Siedhoff NE, Werner S, Ölçücü G, Schwaneberg U, Jaeger K-E, Davari MD, Krauss U. 2023 Machine Learning-Assisted Engineering of Light, Oxygen, Voltage Photoreceptor Adduct Lifetime. JACS Au. 3, 3311–3323. 10.1021/jacsau.3c00440

Diese Seite wurde zuletzt am 19 Mar 2025 geändert.