Multicolor-Pigmentproduktion in Tabak.
Ein sehr effizienter und zurzeit gern beschrittener Weg, komplexe Sekundärmetaboliten schnell und in ausreichender Menge zu produzieren, ist die transiente Expression der beteiligten Enzyme in den Blättern von Nicotiana benthamiana. Diese Tabak-Expressionsplattform hat in den letzten Jahren zur raschen Aufklärung mehrerer Biosynthesewege von komplexen Naturstoffen beigetragen und den Wissenszuwachs auf diesem Gebiet enorm beschleunigt. Das gilt jedoch nicht für Anthocyane, deren Expression in N. benthamiana schlecht funktioniert und bisher nur für die Herstellung von Delphinidin-3-O-Rutinosid erfolgreich war. Diese Verbindung ist ein Vorläufer für einige aber nicht alle komplexen Anthocyane. Die Produktion weiterer Anthocyane hingegen würde die Unterdrückung von bestimmten endogenen Flavonoid-Biosynthesegenen bei gleichzeitiger transienter Expression anderer Gene erfordern.
IPB-Wissenschaftler/innen haben nun eine Benthamiana-Expressionsplattform entwickelt, mit der man jedes gewünschte Basis-Anthocyanin durch Infiltration von wenigen Genkonstrukten herstellen kann. Für die Synthese von komplexeren Anthocyanen können zudem artspezifische Biosynthesegene in die Tabakblätter eingeschleust werden. Die Hallenser Strategie beruht auf der Überexpression bestimmter Anthocyanin-Biosynthesegene, die in N. benthamiana nur unzureichend oder gar nicht exprimiert werden, während gleichzeitig andere Gene inaktiviert werden, die die Produktion von bestimmten Anthocyanen behindern könnten. Mit Hilfe der Plattform ist es den Hallenser Wissenschaftlern gelungen, die Basisanthocyanine Pelargonidin-, Cyanidin- und Delphinidin-3-O-Glucosid in wenigen Tagen und in großen Mengen zu gewinnen.
Generell beruht die Substanzproduktion in Nicotiana benthamiana auf der Klonierung der benötigten Biosynthesegene in einen Expressionsvektor, der vom robusten konstitutiven 35S-Promotor des Blumenkohl-Mosaik-Virus kontrolliert wird. Nach Infiltration des Konstrukts in die Tabakblätter mittels Agrobakterien werden die eingeschleusten Gene transient exprimiert. Dabei können mehrere Gene gleichzeitig mittels verschiedener Agrobakterienstämme in die Pflanze transferiert und dort abgelesen werden. Dieses Verfahren ermöglicht die Aufklärung ganzer Stoffwechselwege, selbst wenn die Reihenfolge der aufeinanderfolgenden enzymatischen Reaktionen nicht bekannt ist. Die neue Expressionsplattform ermöglicht nun die Aufklärung von Biosynthesewegen komplexer Anthocyane und natürlich auch eine schnelle und ertragreiche Produktion dieser Verbindungen und ihrer nichtnatürlichen Derivate.
Anthocyane sind wasserlösliche Pigmente, die in allen höheren Pflanzen vorkommen und vielen Blüten und Früchten eine dunkelrote, violette oder blaue Färbung verleihen. Sie werden im Cytosol in mehreren enzymatischen Reaktionen aus dem Vorläufermolekül Phenylalanin hergestellt und in der Vakuole gespeichert. Die ersten farbigen und stabilen Produkte sind die basischen Verbindungen Pelargonidin-, Cyanidin- und Delphinidin-3-O-Glucosid. In vielen Pflanzen durchlaufen diese grundlegenden Anthocyane weitere Modifikationen, wie Glykosylierung, Acylierung und Methylierung, was sich auf Farbe und Stabilität der Pigmente auswirkt. Anthocyane werden als Lebensmittelfarbstoff für die Färbung von Süßwaren, Marmelade, Obstkonserven und Backmitteln verwendet. Die Farbstoffe wirken antioxidativ, entzündungshemmend und gefäßschützend.