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Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie

PRESSEMITTEILUNG
Die Vermessung der pflanzlichen Widerstandskraft 

Die Wissenschaftler/innen des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie (IPB) werden im Januar 2023 ein neues interdisziplinäres Forschungsprogramm starten, das die vorhandenen Kapazitäten an analytischen Hochleistungsgeräten und auch die Expertisen auf den Gebieten der Naturstoff­che­­mie, der Metabolomics sowie der Chemo- und der Bioinformatik bündeln wird. Ziel des Pro­gram Center for Plant Metabolomics and Computational Biochemistry (MetaCom) ist ein umfas­sen­des Verständnis der pflanzlichen Resilienz auf chemischer Ebene. Im Rahmen der Umsetzung von Me­ta­Com hat das Institut die Möglichkeit, insgesamt 13 Wissenschaftler/innen, Da­ten­ma­na­ger und Technische Assistenten/innen einzustellen. Das MetaCom-Center soll zudem eine sicht­ba­re Hül­le erhalten; geplant ist die Errichtung eines Multifunktionsgebäudes mit Büros und La­boren für Wissenschaftler und administrative Mitarbeiter. 
Pflanzen müssen aufgrund ihrer sesshaften Lebensweise über extrem gute Mechanismen der Abwehr und Anpassung verfügen, um genügend Nährstoffe zu bekommen oder Gefahren und Krankheiten zu trotzen. Da sie nicht weglaufen können, wehren sie sich auf chemischem Wege. Das Arsenal an Subs­tan­zen, die sie in der Lage sind zu produzieren, ist riesig und reicht von Farb-, Geruchs- und Ge­schmacks­­stoffen bis hin zu Vitaminen, Antibiotika und hochwirksamen Giften. All diese Naturstoffe sind Produkte des pflanzlichen Stoffwechsels, auch Metaboliten genannt. 

Jede Pflanzenart und sogar jede einzelne Pflanze hat ihr ganz eigenes Spektrum an Stoffwechsel­pro­duk­ten. Dieses Metabolitenprofil ist dabei keineswegs starr, sondern je nach vorherrschenden Umwelt­be­dingungen einem ständigen Wandel unterlegen. So unterscheidet sich eine kranke Tomatenpflanze in ihrem Metabolitenspektrum erheblich von einer gesunden. Der Vergleich der beiden Stoffwechsel­pro­file – krank versus gesund – kann demnach Hinweise zu Art und Ausprägung der Krankheit sowie zur Krankheitsentstehung und den Abwehrreaktionen der Pflanze liefern. 

Im Forschungsgebiet der Pflanzen-Metabolomics werden diese Informationen zum pflanzlichen Stoff­wech­sel zusammengetragen und ausgewertet. Dabei erfolgt zunächst eine generelle Bestandsauf­nah­me aller Metaboliten einer Pflanze, die in ihrer Gesamtheit das Metabolom der Pflanze bilden. Im Ge­gen­­­satz zu DNA oder Proteinen sind Metaboliten sehr kleine Moleküle und jede einzelne Pflanze pro­du­ziert mehrere tausend verschiedene dieser kleinen Moleküle. Die Erfassung dieser Vielzahl an Sub­stan­zen generiert enorme Datenmengen, deren Botschaft nur mit Hilfe der Bioinformatik ent­schlüsselt wer­den kann. Mit geeigneten Nachweis- und Isolationsmethoden können aus dem Kon­glo­merat der Meta­bo­liten die Schlüsselverbindungen interessanter Stoffwechselwege oder Abwehr­re­ak­tionen heraus­ge­pickt und deren chemische Struktur ermittelt werden. Mitunter entpuppt sich eine sol­che Schlüssel­ver­bindung als neuartige Leitstruktur für neue Pflanzenschutzmittel, Kosmetika, Aro­ma­stoffe oder Medika­men­te.

Am IPB forscht man seit 20 Jahren mit Hilfe von Metabolomics sowie der Bio- und Chemoinformatik an verschiedenen Fragestellungen. So vergleicht man die Metabolitenprofile der Ackerschmalwand mit jenen der Kartoffel, um herauszufinden, warum der Erreger der Kraut- und Knollenfäule die Kartoffel­pflan­ze krank machen kann, während er bei der Ackerschmalwand schon beim Eindringen in die Blätter
scheitert. Mit Metabolomics-Ansätzen versuchen die IPB-Wissenschaftler zu verstehen, welche spe­ziel­len Metaboliten in den Blatthaaren einer Wildtomaten-Art für die Resistenz dieser Pflanzen gegen In­sek­tenfraß verantwortlich sind, während die Kulturtomate diese Abwehrstoffe nicht mehr bildet und entsprechend anfälliger gegen Fraßfeinde ist. Auf der Suche nach neuen pharmazeutisch relevanten Wirkstoffen erstellen die Chemiker des Instituts regelmäßig Metabolitenbestandsaufnahmen von Heil- und Nutzpflanzen aus aller Welt. 

Die Erfassung der Metabolomdaten erfordert leistungsfähige Geräte zur Isolation der Metaboliten und zur Auftrennung von Stoffgemischen in seine Einzelsubstanzen. Mit diesen Maschinen zur Stoff­tren­nung wie Hochleistungsflüssigkeitschromatographen (HPLC) und Gaschromatographen (GC) ist das IPB hervorragend ausgestattet. Ebenso zahlreich vorhanden sind hochsensitive Nachweis- und Analy­se­geräte zur Strukturaufklärung von Einzelsubstanzen wie Massen- und Kernresonanzspektrometer. Das Institut hat sich im Laufe der Jahre umfangreiche stoffliche und digitale Substanz­biblio­the­ken aufgebaut. Bioinformatische Methoden sowie Datenbanken und Tools werden ständig angepasst und weiterentwickelt.

Die Voraussetzungen zum Erfolg des Program Centers MetaCom sind demnach gegeben, zumal die vor­handenen Ressourcen durch Anwendung von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen für die Zukunft ertüchtigt werden sollen. Mit dem MetaCom-Projekt will sich das IPB zu einem inter­natio­na­len Refe­renz­zentrum für spezialisierte Naturstoffe und kleine Moleküle entwickeln. Das Institut wird da­mit einen Beitrag zur Lösung ak­tueller Herausforderungen wie Klimawandel, Pflanzenge­sund­heit, Infek­tions­krankheiten und Ernährungssicherheit leisten.

Weitere Informationen unter: www.ipb-halle.de/forschung/program-center-metacom/ 

Herausgeber: Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie | Pressestelle | Sylvia Pieplow
Weinberg 3 | 06120 Halle (Saale) | E-Mail: spieplow@ipb-halle.de | Tel: +49 (0) 345 5582 1110