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Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie

PRESSEMITTEILUNG
Durchbruch bei CRISPR/Cas: Optimierte Genschere erlaubt den stabilen Einbau von großen Genen

Großer Fortschritt an der CRISPR-Front. Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Pflanzen­bio­che­mie (IPB) ist es gelungen, sehr effizient große Gen-Abschnitte stabil und präzise in die DNA von höheren Pflanzen einzubauen. Dafür optimierten sie die Gen-Editierungsmethode CRISPR/­­Cas, die gemeinhin als Genschere bekannt ist. Das verbesserte CRISPR-Verfahren bietet so­wohl für die Züchtung als auch für die Wissenschaft großartige Möglichkeiten der gezielten Ver­änderung des Erbguts von höheren Pflanzen. Die Studie wurde von Prof. Alain Tissier und Dr. Tom Schreiber geleitet und ist im renommierten Fachjournal Molecular Plant erschienen. 

Lokale Änderung des Erbguts mit Hilfe des Gen-Editierungs-Verfahrens CRISPR/Cas in den Blättern des australischen Tabaks Nicotiana benthamiana. Jeder grün fluoreszierende Punkt steht für eine Blattzelle, in der erfolgreich ein großer Genabschnitt ins Erbgut der Pflanze eingefügt wurde. Für diese Versuchsreihe wurden verschiedene Varianten der Genschere Cas9 eingesetzt; einmal eine inaktive Variante von Cas9 (linkes Bild), eine aktive Cas9-Variante (Mitte) und eine Cas9-Variante, die mit einem weiteren Enzym, einer Exonuklease gekoppelt ist (rechts). Erst der Einsatz der Exonuklease bewirkt eine starke Zunahme der korrekten Gen-Einbau-Ereignisse. 
CRISPR/Cas ist ein Verfahren mit enormem Potential für die gezielte Veränderung von einzelnen Ge­nen. Das gilt jedoch längst noch nicht für alle genetischen Umgestaltungen, die auf der Wunschliste von Züchtern und Wissenschaftlern stehen. Für ein Knock-Out von Genen, also das Ausschalten oder  Entfernen von bereits vorhandenen Genen, eignet sich die Gen­schere hervorragend, nicht aber für ein punktgenaues Einfügen von Genen oder den Austausch von Genabschnitten. Für die­ses ge­ziel­te Knock-In von Genen in das Erbgut von höheren Pflanzen ist die Genschere bisher zu ineffizient und deshalb nur bedingt geeignet.

„Der Grund dafür liegt in der pflanzeninternen Reparaturmaschine für DNA-Brüche“, sagt Dr. Tom Schrei­ber. Diese Repa­ra­turen­zy­me sind sofort zur Stelle, sobald Schäden an der DNA auftreten. Sie er­kennen auch die glatten Schnitte, die von der Genschere ge­setzt werden, und fügen die bei­d­e­n durch­- trennten DNA-Stränge der Doppelhelix sofort wieder zusammen. Die­ses Kitten der zer­schnit­tenen DNA erfolgt sehr schnell und nicht sehr genau; es kommt zu kleineren Informations­ver­lus­ten, bei dem win­zige DNA-Ab­schnitte verloren gehen oder auch hinzugefügt werden. „Diese Ungenauigkeiten sind bei Knock-Out-Vorhaben nicht schlimm und so­gar erwünscht“, sagt Tom Schreiber, „denn ich will ja das Gen sowieso aus­schal­ten. Aber wenn ich ein Gen einfügen will, dann muss das sehr präzise gesche­hen. Die genetische Information muss exakt eingesetzt werden, es darf nicht ein Baustein fehlen und es darf auch kein einziger Baustein zusätzlich mit integriert werden, sonst verliert das Gen seine Funk­tion und der gesamte Versuch war um­sonst.“

Aus diesem Grund ist ein solcher präziser und narbenfreier Einbau von größeren Genen oder DNA-Abschnitten mit CRISPR/­Cas bis­her nur in seltenen Einzelfällen geglückt. Um die Erfolgsquote beim Gen-Einbau zu erhöhen, haben die Hal­lenser Wissenschaftler die Genschere mit einem weiteren En­zym, einer sogenannten Exonuklease, versehen. Exonukleasen können die von der Gen­schere ge­setz­ten DNA-Schnittstellen derart verändern, dass die zellinternen Reparaturenzyme den DNA-Schaden nicht mehr er­kennen und ihn folglich nicht wieder zusammenkleben können. Der durch CRISPR/Cas ein­zu­bauende DNA-Abschnitt hätte demnach ge­nü­gend Zeit, um sich - mit Hilfe eines weiteren und sehr präzisen zellulären Reparaturmechanismus - an der richtigen Stelle im Erbgut zu integrieren.

Im Experiment haben die Hallenser Wissenschaftler verschiedene Exonukleasen viralen, bakteriellen, pflanzlichen und mensch­li­chen Ur­sprungs auf ihre Fähigkeit getestet, die Anzahl der präzisen Gen-Einbau-Ereignisse zu erhöhen. Dafür brach­ten sie die Gen­schere mit den entsprechenden Exonu­kle­a­sen und mit dem einzubauenden Gen X-Abschnitt in die Blattzellen der Tabakpflanze Ni­co­tiana ben­tha­miana ein. Diese Tabakzellen waren zuvor von den Forschern mit einem Gen für einen grün fluores­zie­ren­den Farb­stoff ausgestattet worden. Und sie enthielten außerdem ein zerstörtes Gen X, das für die Bil­dung dieses grün fluoreszierenden Farb­stoffes benötigt wird. Die Bildung des Fluoreszenzfarbstoffes konnte aber nicht stattfinden, weil ein großer Teil der genetischen In­for­ma­tion von Gen X fehlte.

Nur wenn der fehlende Genabschnitt von X mittels CRISPR/Cas präzise wieder eingefügt und das Gen X damit wieder re­pariert wird, kann sich der grüne Farbstoff bilden. Alle Zellen mit geglücktem Gen-Ein­bau fluoreszieren dann grün und die Quote des er­folg­reichen Gen-Einbaus kann somit ge­zählt wer­den. Zwei der getesteten Exonukleasen, darunter eine aus der Familie der Herpesviren, erwiesen sich dabei als besonders wirksam. Mit ihrer Hilfe erreichte das Hallenser Team 38-mal mehr perfekte Gen-Einbau-Ereig­nis­se, als mit CRISPR/Cas allein.

Dieser Versuchsansatz wurde anschließend mit anderen einzubauenden Genen und an anderen Pflan­zen, nämlich an der Acker­schmal­wand und an Weizen, getestet. Da der Gen-Einbau in den Tabak­pflan­zen nur lokal in den Blättern stattfand, ging das inte­grier­te Gen in der nächsten Tochtergeneration wie­der verloren, war also nur zeitlich begrenzt im Erbgut vor­han­den. Bei der Acker­schmalwand und beim Weizen haben die Hallenser CRISPR-Experten deshalb versucht, das zu inte­grie­rende Gen so ins Erbgut der Keimbahn einzubauen, dass es stabil an die kommenden Pflanzengenerationen weitervererbt wird. Auch der stabile, also vererbbare Knock-In der Gene gelang mit Hilfe der getesteten Exonukleasen bei der Acker­schmal­­wand mit einer zehnfach erhöhten Häufigkeit und beim Weizen bei über einem Pro­zent der Tochterpflanzen. „Ein Prozent klingt jetzt erst mal nicht viel“, führt Tom Schreiber aus, „aber wenn ein Züchter eine bestimmte Eigenschaft in seine Pflanze bringen will, dann müsste er mit un­se­rem optimierten CRISPR/ Cas-Verfahren nur etwa 50-100 Tochterpflanzen der ersten Generation durch­forsten, um eine Pflanze mit dem gewünschten Merk­mal zu finden. Das wäre eine erhebliche Zeit­er­spar­nis gegenüber herkömmlichen Züchtungsmethoden, wo man zu diesem Zweck 500 bis 1000 Pflan­zen a­nalysieren müsste.“

Fazit: Die von den Hallenser Wissenschaftlern optimierte CRISPR/Cas-Methode ist ein vielverspre­chen­des Werkzeug für den ge­ziel­ten Einbau von Genen in höhere Pflanzen und möglicherweise auch in an­de­re Organismen. Künftig könnten Pflan­zenzüchter mit diesem Verfahren beispielsweise verloren­ge­gang­ene Resistenzgene gegen Krankheitserreger aus Wild­arten oder alten Kultursorten in die moder­nen, ertragreichen Elitesorten wieder einfügen. Das und viele weitere wün­schenswerte Eigenschaften könnten auf diese Art ihren Einzug in die Pflanzenzüchtung halten und zur Entwicklung von robusteren Kul­tur­sorten beitragen. Für die Wissenschaft bie­­tet dieser Ansatz grandiose Möglichkeiten, bestimmte pflanzeneigene Gene ele­gant und in einem Schritt durch modifizierte Ko­pien ihrer selbst auszutau­schen. Das ist besonders hilfreich bei der Funk­tions­aufklärung dieser Gene. 

Originalpublikation:
Tom Schreiber, Anja Prange, Petra Schäfer, Thomas Iwen, Ramona Grützner, Sylvestre Marillonnet, Aurélie Lepage, Marie Javelle, Wyatt Paul & Alain Tissier. Efficient scar-free knock-ins of several kilo­bases in plants by engineered CRISPR/Cas endonucleases. Molecular Plant 2024,  doi: 10.1016/j.molp.2024.03.013.

Weitere fachliche Informationen: 
Sylvia Pieplow, Neue CRISPR-Methode erlaubt stabiles Knock-In von großen Genen. IPB-Webseite, Newsticker Wissenschaft

Herausgeber: Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie | Pressestelle | Sylvia Pieplow
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