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09.10.2020

+++ Newsticker Wissenschaft #56 +++ Multikomponentenreaktion +++

Effizientere Impfstoffe mit Multikomponentenreaktion.

Wissenschaftler/innen des IPB haben gemeinsam mit kubanischen Partnern eine Multikomponentenreaktion zur Erzeugung von multivalenten Pneumokokken-Glykokonjugaten entwickelt. Dafür wurden im Eintopf-Verfahren zwei verschiedene Kapselpolysaccharide von Streptococcus pneumoniae an ein Trägerprotein gekoppelt. Das entstandene Glykokonjugat löste bei Kaninchen eine T-Zell-Immunantwort mit entsprechender Produktion von funktionellen spezifischen IgG-Antikörpern gegen die Polysaccharid-Antigene aus und kann daher als multivalenter Impfstoff Verwendung finden. Die Ergebnisse wurden jüngst in Bioconjugate Chemistry der American Chemical Society publiziert. Erstautorin Ana R. Humpierre, die zurzeit als DAAD-Stipendiatin am IPB forscht, hat für ihre Ergebnisse den ersten Posterpreis der #LatinXChem Twitter Conference 2020 gewonnen.

Streptococcus pneumoniae verursacht als Erreger von Sepsis, Lungen-, Mittelohr- und Hirnhautentzündungen weltweit jährlich über 500.000 Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren. Die Entwicklung von geeigneten Impfstoffen steht vor vielen Herausforderungen. Dazu gehört erstens, dass die Kapselpolysaccharide des Bakteriums als Antigen allein nicht immunogen genug sind, um bei immungeschwächten Personen eine effiziente T-Zell-basierte Immunantwort auszulösen. Vielmehr bedarf es für die Erzeugung von Anti-Polysaccharid-Antikörpern und damit langanhaltender Immunität zusätzlicher, die Immunantwort verstärkender Protein-Epitope. Zurzeit werden Tetanus- und Diphterietoxoide als geeignete Träger-Proteine bei allen möglichen Impfungen – nicht nur gegen Pneumokokken – eingesetzt. Das wiederrum birgt aber die Gefahr der Epitop-Suppression – eine Abschwächung der spezifischen Anti-Polysaccharid-Immunreaktion, durch die im Organismus bereits vorhandenen Antikörper gegen die Träger-Proteine, die durch frühere Impfungen gegen andere Krankheitserreger gebildet wurden.

Die zweite Herausforderung in der Impfstoffentwicklung liegt in der Variabilität des Erregers. Pneumokokken bilden weltweit über 90 verschiedene Serotypen aus, die sich in der Ausstattung ihrer Kapselpolysaccharide, also ihrer Oberflächenantigene leicht unterscheiden. Im menschlichen Immunsystem löst jeder einzelne Serotyp eine auf ihn zugeschnittene spezifische Immunreaktion aus. Kreuzreaktionen mit anderen Serotypen gibt es leider nicht. Um einen guten Impfschutz gegen mehrere Serotypen zu erzeugen, ist der Impfstoff also immer eine Mischung aus mehreren Kapselpolysaccharid-Antigenen. Die neueste Generation an Pneumokokken-Impfstoffen enthält bis zu 20 verschiedene Kapselpolysaccharid-Antigene der gängigsten Serotypen. Jedes einzelne Antigen ist an sein eigenes Trägerprotein gekoppelt, was die Epitop-Suppression verstärkt.

Multivalente unimolekulare Glykokonjugate, bei denen verschiedene Polysaccharide an ein einziges Trägerprotein gebunden sind, könnten theoretisch die Epitop-Suppression reduzieren, während sie immer noch starke Anti-Polysaccharid- und Anti-Träger-Immunreaktionen induzieren. Genau das, nämlich die Kopplung zweier verschiedener Pneumokokken-Kapselpolysaccharide an ein einziges Tetanustoxoid-Trägerprotein, ist den Hallenser Wissenschaftlern jetzt gelungen. Der Einsatz der Multikomponentenreaktion für dieses Unterfangen ermöglichte die Kopplung der drei Komponenten in einem Reaktionsschritt und ist damit zurzeit der schnellste Weg, um multivalente unimolekulare Impfstoffe zu produzieren.

Referenz:
Ana R. Humpierre, Abel Zanuy, Mirelys Saenz, Raine Garrido, Aldrin V. Vasco, Rocmira Pérez-Nicado, Yamilka Soroa-Milán, Darielys Santana-Mederos, Bernhard Westermann, Vicente Vérez-Bencomo, Yanira Méndez, Dagmar García-Rivera & Daniel G. Rivera Bioconjugate Chem. 2020, 31, 9, 2231–2240.

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