zur Suche springenzur Navigation springenzum Inhalt springen
Abb. 3. Vergleichende Genomanalyse zur Identifizierung von Genen mit möglicher Bedeutung für die Entwicklung der Wirtsspezifität der Rhynchosporium-Arten. MLS, Multi-locus-Sequenzen; SNP, single nucleotide polymorphism; CAZyme, Carbohydrate-Active enzyme; SM, Sekundärmetabolismus. (Zum Vergrößern klicken.)
Abb. 3. Vergleichende Genomanalyse zur Identifizierung von Genen mit möglicher Bedeutung für die Entwicklung der Wirtsspezifität der Rhynchosporium-Arten. MLS, Multi-locus-Sequenzen; SNP, single nucleotide polymorphism; CAZyme, Carbohydrate-Active enzyme; SM, Sekundärmetabolismus. (Zum Vergrößern klicken.)

Vergleichende Rhynchosporium-Genomanalyse

In Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Altersforschung (Fritz-Lipmann-Institut) in Jena, dem Institut für Bioinformatik und Systembiologie am Helmholtz-Zentrum in München, dem James-Hutton-Institut in Dundee (Schottland) und der Rothamsted Research Station in Harpenden (England) wurden die Genome von Isolaten der fünf Rhynchosporium-Arten sequenziert (454, Illumina PE/MP), assembliert und ab initio annotiert. Das Genom eines der R.-commune-Isolate wurde dabei als Referenzgenom entwickelt. Es hat eine Gesamtgröße von 55 Mb mit etwa 30% Protein kodierender Sequenz. Nur etwa der Hälfte der ca. 12.200 Gene kann bisher eine Funktion zugeordnet werden.

Ergebnisse

1. Phylogenie

Abb. 4. Stammbaum der Gattung Rhynchosporium mit geschätzter evolutionärer Zeitachse. Die beiden Zweige unterscheiden sich in der Form ihrer Conidiosporen: mit schnabelförmigem Fortsatz („beaked conidia group“, BCG, (links) oder zylindrisch („cylindrical conidia group“, CCG, rechts).
Abb. 4. Stammbaum der Gattung Rhynchosporium mit geschätzter evolutionärer Zeitachse. Die beiden Zweige unterscheiden sich in der Form ihrer Conidiosporen: mit schnabelförmigem Fortsatz („beaked conidia group“, BCG, (links) oder zylindrisch („cylindrical conidia group“, CCG, rechts).

Auf der Grundlage von Multilocus-Sequenzvergleichen konnten wir zunächst die phylogenetische Einordnung der Gattung Rhynchosporium in die Ascomyceten-Klasse der Leotiomycetes bestätigen. Zur Feinauflösung der Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Gattung Rhynchosporium wurden dann Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms, SNPs) herangezogen. Der Stammbaum zeigt, dass die Artbildung von R. agropyri erfolgte, kurz bevor sich R. commune und R. secalis trennten, aber lange nach der Entstehung des CCG-Zweiges mit R. orthosoprum und R. lolii.

2. Sexuelle Reproduktion

Eine sexuelle Fortpflanzung von Rhynchosporium konnte bisher nicht beobachtet werden. Dennoch sind beide Kreuzungstyp-Loci („mating type loci“) MAT1-1 und MAT1-2, die für heterothallische Ascomyceten charakteristisch sind, in den meisten Feldpopulationen in äquimolarem Verhältnis nachgewiesen worden. Unsere Untersuchung der Rhynchosporium-Genome konnte nun zeigen, dass nicht nur die MAT-Gene sondern die gesamte genetische Maschinerie zur sexuellen Fortpflanzung vorhanden sind.

3. Zellwandabbau

Die Rhynchosporium-Genome wurden mit Hilfe der CAZY-Datenbank („Carbohydrate Active enZYme“) annotiert. Die Anzahl an Enzymen, die am Abbau der Wirtszellwände beteiligt sind, ist zwar charakte¬ristisch für hemibiotrophe und nekrotrophe Pilze, die monokotyle Pflanzen infizieren. Sie liefert jedoch keinen Hinweis auf eine mögliche Rolle bei der Ausprägung der pilzlichen Wirtsspezifität.

4. Sekundärstoffwechsel

Trotz großer chemischer Diversität werden die weitaus meisten Sekundärstoffe von Pilzen über lediglich vier Hauptbiosynthesewege mit charakteristischen Schlüsselenzymen wie Polyketidsynthasen (PKS: Polyketide), nicht-ribosomale Peptidsynthetasen (NRPS: Peptide), Terpencyclasen (TC: Terpene) und Dimethylallyltryptophan-Synthasen (DMATS: Indolalkaloide) gebildet. In den Genomen der drei BCG-Arten von Rhynchosporium fanden wir neben 1 TC-Gen und 3 DMATS-Genen 9 PKS-, 4 NRPS- und 3 PKS-NRPS-Hybrid-Gene, oft in Clustern mit Genen, die verschiedene modifizierende Enzyme sowie Transkriptionsfaktoren und Transporter kodieren. Drei weitere Gene könnten im Zusammenhang mit der Ausprägung von Wirtsspezifität von Interesse sein, ein für R. commune spezifisches PKS-Gen und je ein isolatspezifisches PKS- und NRPS-Gen. Vergleichende Untersuchungen zum Metabolitenprofil von Wildtyp und PKS-Deletionsmutanten wurden begonnen, um Aufschluss über Identität und Funktion der Polyketidprodukte zu erhalten.

Abb. 5. Identifizierung wirtsspezifischer Effektorgene in R. commune mit Hilfe der Strukturkriterien „Signalpeptid vorhanden“ (SP), „keine Transmembrandomänen“ (no TMD), „Proteingröße ≤200 Aminosäuren“ (≤200 AA), „Cysteingehalt ≥2%“ (Cys ≥2%), „Vorkommen auf R. commune beschränkt“  (Rc specific). Angegeben ist die nach Anwendung der jeweiligen Kriterien (von links nach rechts) verbliebene Zahl an Genmodellen und ihr Anteil (%) am Gesamtgenom. Die Tabelle listet die 7 spezifischen Proteine (R. commune Secreted Protein, RcSP) mit Größe (AA), Signalpetidlänge (SP) und Anzahl an Cysteinen (Cys) auf. (Zum Vergrößern klicken).
Abb. 5. Identifizierung wirtsspezifischer Effektorgene in R. commune mit Hilfe der Strukturkriterien „Signalpeptid vorhanden“ (SP), „keine Transmembrandomänen“ (no TMD), „Proteingröße ≤200 Aminosäuren“ (≤200 AA), „Cysteingehalt ≥2%“ (Cys ≥2%), „Vorkommen auf R. commune beschränkt“ (Rc specific). Angegeben ist die nach Anwendung der jeweiligen Kriterien (von links nach rechts) verbliebene Zahl an Genmodellen und ihr Anteil (%) am Gesamtgenom. Die Tabelle listet die 7 spezifischen Proteine (R. commune Secreted Protein, RcSP) mit Größe (AA), Signalpetidlänge (SP) und Anzahl an Cysteinen (Cys) auf. (Zum Vergrößern klicken).

5. Effektorproteine

Etwa 8% der ca. 12.200 Gene von R. commune kodieren das pilzliche Sekretom, d.h. die Gesamtheit aller sezernierten Proteine (ähnliche Zahlen gelten für die anderen Rhynchosporium-Arten). Darunter befinden sich auch die bereits früher von uns beschriebenen Gene NIP1, NIP2 und NIP3, die je nach Wirtssorte quantitativ zur Pilzvirulenz beitragen können. NIP3 ist als Einzelgen in allen BCG-Arten vorhanden, NIP1 nur in R. commune (jedoch nur in etwa der Hälfte aller weltweit getesteten Isolate) und R. orthosporum. Die Produkte beider Gene stimulieren die Aktivität der H+-ATPase im Plasmalemma der Wirtspflanzenzellen. NIP2, dessen Wirkungsweise bisher unbekannt ist, tritt ebenfalls als Einzelgen in den CCG-Arten auf, während die BCG-Arten NIP2-Genfamilien von bis zu 10 Mitgliedern besitzen. Da die Entstehung dieser Genfamilien weitgehend vor der Aufspaltung der BCG-Arten erfolgt sein muss, könnten sie also – ebenso wie NIP1 und NIP3 – für den Wirtswechsel des gemeinsamen Vorfahren von Bedeutung gewesen sein. Zur funktionellen Analyse der NIP2-Gene wird derzeit ein auf RNAi basierendes Silencing-System entwickelt.

Mit Hilfe von in-silico-Verfahren konnten wir sieben spezifisch im Genom von R. commune vorkommende Effektorgene identifizieren. Deletionsmutanten zeigten überraschenderweise ein stärkeres Wachstum und einige auch eine raschere Entstehung der Krankheitssymptome als der Wildtyp. Die Funktion der Effektoren liegt also offenbar in einer Verlangsamung des Pilzwachstums. Dies deutet darauf hin, dass die Optimierung der Pilzentwicklung auf der Wirtspflanze auf eine Verlängerung der biotrophen Phase der Pathogenese zu Lasten der nekrotrophen Phase zielt.

Fazit

Das Beispiel Rhynchosporium zeigt, dass die Anpassung eines Mikroorganismus an eine Pflanze nicht die größtmögliche Schädigung des Wirtes zum Ziel hat. Die Stabilisierung der generell sehr langen biotrophen Entwicklung des Pilzes durch sezernierte Effektoren könnte zudem darauf hindeuten, dass schon die Ahnen des Pilzes auf ihrer ursprünglichen Wirtspflanze nicht als Pathogene sondern als Endophyten gelebt haben.

Diese Seite wurde zuletzt am 17.02.2017 geändert.

IPB Mainnav Search