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17.11.2014

Mit Pflanzen heilen

Neue Mittel gegen Wurmbefall aus äthiopischen Heilpflanzen

Auf große Resonanz stießen Dr. Norbert Arnold und Dr. Katrin Franke vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) mit ihrem Statusbericht beim 2. großen Kongress über Medizinalpflanzen Äthiopiens am 6. und 7. Oktober 2014 in Addis Abeba. Der Kongress, der im Rahmen des Hochschulkooperationsprogramms Welcome to Africa stattfand, führte etwa 100 Wissenschaftler aus Äthiopien, Kamerun und Sambia sowie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zusammen, um die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten zu diskutieren. Das IPB ist mit einem Projekt zu Antiwurmwirkstoffen aus äthiopischen Medizinalpflanzen an diesem Kooperationsvorhaben zwischen der MLU und der Universität Addis Abeba beteiligt.

Obgleich der Befall mit humanpathogenen Bodenwürmern (Helminthiasis) nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation zu den vernachlässigten Krankheiten zählt, ist er besonders in tropischen und subtropischen Regionen weit verbreitet. Etwa 1,7 Milliarden Menschen weltweit sind mit Haken-, Peitschen- und Rundwürmern infiziert. Die Übertragung erfolgt meist durch Kontakt mit fäkalienkontaminiertem Boden. Die Würmer zerstören die Darmschleimhaut und sorgen für Blutarmut, Verdauungsprobleme und Wachstumsstörungen. Medikamente gegen Helminthiasis sind seit 1940 einige auf dem Markt; allerdings haben die Würmer gegen die meisten der heute genutzten Wirkstoffe Resistenzen entwickelt.

Ein Ziel des IPB-Forschungsprojektes ist es deshalb, neue Wirkstoffe zu finden, die man aus einheimischen, sprich, äthiopischen Pflanzen gewinnen kann. Dafür haben die Wissenschaftler des IPB einen einfachen Test entwickelt, der eine schnelle Identifizierung potentieller Wirkstoffkandidaten erlaubt. Der Test arbeitet mit Caenorhabditis elegans, einem etwa ein Millimeter großen Fadenwurm, der in den Lebenswissenschaften als Modellorganismus genutzt wird. C. elegans lebt im Boden gemäßigter Klimazonen und befällt weder Menschen noch Tiere. Dennoch reagiert er empfindlich auf jene Wirkstoffe, die man bisher gegen humanpathogene Bodenwürmer einsetzt. Der Beweis dieser Empfindlichkeit erfolgte am IPB. Dafür wurden die Fadenwürmer angezogen und 30 Minuten mit bereits bekannten Antiwurmmitteln konfrontiert. Anschließend zählte man unter dem Mikroskop die überlebenden Würmer. Die gleichen Mittel wurden dann am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut an jenen Bodenwürmern getestet, die den Menschen befallen. Fazit: Was gegen den harmlosen C. elegans wirkt, tötet auch die Parasitenwürmer.

Nachdem man so die Wirkung der bereits bekannten Arzneimittel auf C. elegans bewies, haben die Hallenser Wissenschaftler jetzt damit begonnen, Rohextrakte aus Pflanzen zu testen, von denen man bisher noch nicht weiß, ob sie Wurmgifte produzieren. Etwa 20 äthiopische Heilpflanzen wurden auf diese Art geprüft; mindestens drei Pflanzenarten hat man bereits identifiziert, die in ihren Blättern vielversprechende Wirkstoffe gegen Würmer enthalten. „Der Wurmtest erfordert keine spezielle Technik oder Chemikalien“, sagt Katrin Franke. „Er ist so konzipiert, dass er auch unter einfachen Bedingungen in Äthiopien durchgeführt werden kann.“

Und genau das ist das Ziel. Äthiopische Wissenschaftler sollen künftig vor Ort die heimische Flora nach geeigneten Heilpflanzen durchforsten. Gemeinsam mit dem IPB will man dann die aussichtsreichsten Arten weiter untersuchen, um die entsprechenden Wirkstoffe zu isolieren und zu identifizieren.Neben diesem Wissenstransfer gibt es auch einen Personentransfer bei Welcome to Africa. Zwei Pharmaziestudenten hat das IPB bereits nach Addis Abeba geschickt, um dort im Rahmen ihrer Diplomarbeit den Test zu etablieren. Ein Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) kommt im Gegenzug von Äthiopien ans IPB, um hier seine Doktorarbeit zu schreiben.

Hintergrund:
Welcome to Africa, ein seit 2013 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziertes Austauschprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, dient dem Auf- und Ausbau einer nachhaltigen Forschungszusammenarbeit zwischen afrikanischen und deutschen Hochschulen. Im aktuellen Förderzeitraum von drei Jahren werden Kooperationsprojekte von elf deutschen Universitäten mit verschiedenen Partnern aus ganz Afrika finanziert. Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist mit dem Projekt Research based capacity building – Ethiopian medical plants am Kooperationsprogramm beteiligt.

Das Thema erschien in der Mitteldeutschen Zeitung am 25.11.2014

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