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02.05.2017

Energie für chemische Barrieren

Zentraler Kohlenstoff- und Energiestoffwechsel von glandulären Trichomen aufgeklärt

Erstes Modell des zentralen Kohlenstoff- und Energiestoffwechsels in glandulären Trichomen von Tomate.
Abkürzungen:
AcCoA: Acetyl-CoA; C6: Hexose; CBB Cycle: Calvin-Benson-Bassham-Zyklus; CIT: Citrat; DMAPP: Dimethylallyldiphosphat; GA3P: Glyceraldehyd-3-Phosphat; GSH: Glutathion; IPP: Isopentenyldiphosphat; MAL: Malat; MEP: Methylerythritol 4-Phosphat- Weg; MEV: Mevalonat-Weg; OA: Oxalacetat; OPP: Oxidativer Pentose-Phosphat-Weg; PUFAs: mehrfach ungesättigte Fettsäuren; PYR: Pyruvat; Rib5P: Ribulose-5-phosphat; ROS: reaktive Sauerstoffverbindungen.

Mit einem umfassenden Multi-Omics-Ansatz haben Gerd Balcke, Alain Tissier und Kollegen für eine erste Aufklärung des zentralen Kohlenstoffwechsels von glandulären Trichomen gesorgt. Das Ergebnis ihrer vergleichenden, breit angelegten Datenanalysen wurde jüngst in Plant Cell veröffentlicht. Es mündete in ein erstes allgemeines Modell zur Verknüpfung von Primär- und Sekundärstoffwechsel in den glandulären Trichomen von Tomate.

Glanduläre Trichome sind kleine Haardrüsen, die auf Blättern und Stängeln von etwa 30 Prozent aller Gefäßpflanzen vorkommen. Als spezialisierte sekretorische Zellen produzieren sie eine große Vielfalt an sekundären Pflanzenstoffen, die je nach Pflanzenart variiert und neben Alkaloiden und Phenolen auch Flavonoide, Acylzucker und die große Stoffgruppe der Isoprenoide umfasst. Die biologische Wirkung dieser Trichom-Metaboliten entspricht in erster Linie einem chemischen Schutzwall der Pflanzen: Nachgewiesen wurden bisher verdauungshemmende, die Ei-Ablage verhindernde und toxische Eigenschaften gegen Fraßfeinde und Insekten. Für den Menschen haben viele dieser sekundären Naturstoffe einen hohen Wert als pharmazeutisch wirksame Substanzen, aber auch als Duft- und Aromastoffe in der Kosmetik- und Nahrungsmittelindustrie.

Während es bereits einige Studien gibt zu artspezifischer Zusammensetzung und Synthesewege der Trichom-Sekundärstoffe, wurde bisher nie geklärt, aus welchen Quellen die Drüsenhaare die Energie und auch die nötigen Kohlenstoffe für ihre extreme metabolische Aktivität beziehen. Mit einer umfassenden Datenerhebung auf allen verfügbaren Ebenen, haben die Hallenser Pflanzenexperten jetzt den zentralen Kohlenstoff- und Energiestoffwechsel in glandulären Trichomen aufgeklärt und dabei einige Gegebenheiten gefunden, die für Trichome spezifisch sind.

Dafür wurden generelle Bestandsaufnahmen der aktivierten Gene (Transcriptomics), der vorhandenen Proteine, allem voran der benötigten Stoffwechselenzyme (Proteomics) und der entsprechend produzierten Substanzen (Metaboliten → Metabolomics) an isolierten glandulären Trichomen (vom Typ VI) im Vergleich zu normalen Blattzellen ohne Trichome gemacht. Die Gegenüberstellung und Analyse der Daten erfolgte an Trichom- und Blattzellen zweier verschiedener Tomatenarten, der Kulturtomate Solanum lycopersicum und einer wildwachsenden Art, Solanum habrochaites. Wildtomaten produzieren in ihren Trichomen sehr viel mehr und etwas andere Sekundärmetaboliten als ihre kultivierten Verwandten. Durch den Vergleich der jeweiligen Metabolitenspektren erhoffte man sich auch, Gründe aufzudecken für diese Produktivitätsunterschiede und für den Verlust der Produktivitätsgene der Kulturtomate im Laufe der jahrhundertewährenden Züchtung.

Im Ergebnis präsentierten die Hallenser Trichom-Experten ein erstes Modell der Kohlenstoff- und Energieressourcen für die erhöhte metabolische Aktivität in glandulären Trichomen. Das Modell bezieht sich auf die Biosynthese von Sesquiterpenen in den Trichomen von Wildtomaten. Demnach werden Sesquiterpene innerhalb der Typ-VI-Trichome im Zytosol über den Mevalonat-Weg (MEV-Weg) aus AcetylCoA und auch in den Plastiden über den Methylerythritolphosphatweg (MEP-Weg) aus Pyruvat hergestellt.

Da die Trichome über Chloroplasten und funktionierende Photosynthese-Systeme verfügen, kann ein Großteil der benötigten Energie aus der Photosynthese gewonnen werden. Die Besonderheit in den Trichomen besteht allerdings darin, dass hier die Licht- und die Dunkelreaktion entkoppelt sind. Das heißt, Energie und Reduktionsäquivalente aus der Lichtreaktion (in Form von ATP und NADPH) scheinen direkt in den Sekundärstoffwechsel, also in die Biosynthese der Sesquiterpene, zu fließen und nicht in den Calvin-Zyklus der Dunkelreaktion, der den Einbau von Kohlendioxid in organische Verbindungen realisiert. Diese Kohlendioxid-Fixierung und auch der Aufbau von Zuckern und Stärke sind in den Trichomen stark herabgesetzt; die entsprechenden Enzyme werden deutlich weniger exprimiert. Dennoch läuft der Calvin-Zyklus in geringer Aktivität ab, aber eher, um Kohlendioxid, das durch die starke metabolische Aktivität entsteht, zu recyceln. Dies führt zu einer erhöhten Effizienz in der Kohlenstoffnutzung.

Auch der Citratzyklus in den Mitochondrien entspricht in den Trichomen nicht seiner ursprünglichen Bestimmung der Energiegewinnung (in Form von ATP und Reduktionsäquivalenten NAD(P)H), sondern läuft hier nur sehr verkürzt bis zum Citrat ab. Citrat wird aktiv aus den Mitochondrien ins Zytosol transportiert, um hier in AcetylCoA umgewandelt zu werden und damit den Precursor für die Sesquiterpenbiosynthese über den MEV-Weg zu liefern.

Die meisten Stoffwechselvorgänge in den glandulären Trichomen dienen demnach der Precursor-Bereitstellung für den Sekundärstoffwechsel. Diese Vorstufen für die MEP- und MEV-Wege, aber auch die metabolische Energie für die Sesquiterpenbiosynthese, müssen aus der Spaltung von Zuckern bereitgestellt werden. Da Zucker in den Trichomen nicht synthetisiert werden, kann der Energie- und Kohlenstoffnachschub nur aus externen Zuckerquellen kommen. Und auch das wurde von Balcke und Tissier mit 13C-Markierungen sehr schön nachgewiesen: Glanduläre Trichome verbrauchen sehr viel Zucker, stellen aber selbst keinen her - sie sind eine Zucker-Senke. Alle nötigen Zuckerverbindungen erhalten sie aus dem Primärstoffwechsel der Blattzellen. Saccharose scheint dabei seinem Konzentrationsgradienten zu folgen und aus den Geweben mit viel Zucker stetig nachzufließen in jene Gewebe, wo viel Zucker verbraucht wird und demnach wenig davon vorhanden ist.

Typisch für Zellen mit hoher metabolischer Aktivität ist zudem die vermehrte Entstehung von reaktiven Sauerstoffverbindungen (ROS), die aufgrund ihrer Reaktionsfreude Zellen und Membranen schädigen. Die Entschärfung dieser Oxidantien erfolgt durch die Oxidation von sehr langkettigen und von mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die in glandulären Trichomen in großer Menge hergestellt werden. Dieser Entgiftungsmechanismus scheint für die Haardrüsen spezifisch zu sein. Ein zweiter Neutralisierungsmechanismus über Glutathion ist sowohl aus Blattzellen als auch aus Trichomzellen bekannt. In Blattzellen wird er allerdings nur nach oxidativem Stress angeschaltet, während er in den Trichomen immer aktiv ist.

Fazit
Glanduläre Trichome bilden die erste chemische Barriere gegen Fraßfeinde und Insekten. Für diese Aufgabe sind sie metabolisch hochaktiv und haben sich auf die Produktion von Sekundär- und Abwehrstoffen spezialisiert. Energie und Kohlenstoff für diese extremen Biosyntheseleistungen beziehen sie nicht nur aus der Photosynthese, sondern vor allem aus dem Primärstoffwechsel der sie versorgenden Blattzellen. Für diesen starken metabolischen Schutz der Außengrenzen bezahlt die Pflanze jedoch mit der steten Entstehung reaktiver Sauerstoffverbindungen – für deren Entgiftung sie zusätzlich Energie aufbringen muss.

Das bessere Verständnis der trichominternen  Sekundärstoffwechselvorgänge und ihrer Verbindung zum Primärstoffwechsel ist erste Voraussetzung für die Züchtung neuer Kultursorten mit erhöhter Resistenz gegen Aggressoren und für die biotechnologische Produktion von wirtschaftlich wichtigen sekundären Pflanzenstoffen in Bakterien oder Hefen.

Originalpublikation:
Gerd U. Balcke, Stefan Bennewitz, Nick Bergau, Benedikt Athmer, Anja Henning, Petra Majovsky, José M. Jiménez-Gómez, Wolfgang Hoehenwarter, Alain Tissier. Multiomics of Tomato Glandular Trichomes Reveals Distinct Features of Central Carbon Metabolism Supporting High Productivity of Specialized Metabolites. The Plant Cell 2017

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